Seit dem 26. November bin ich bei identi.ca angemeldet, nach dem ich gut einen Monat früher mit Twitter anfing. Beide Dienste sind Mikro-Blogging-Anbieter, bei denen kurze Nachrichten mit einer Länge bis zu 140 Zeichen ausgetauscht werden. Weshalb habe ich gewechselt?
Twitter ist der größte Mikro-Blogging-Service; Zeitungen, Politiker, Unternehmen – alle sind angemeldet. Es gibt hunderte von Tools, mit denen auf Twitter bsw. vom iPhone zugegriffen werden kann, die Daten wie Aktivitätszeiten auswerten oder Twitter um Funktionen erweitert, wie zum Beispiel um eine Liste der zuletzt gelesenen Bücher. Allerdings ist Twitter ein proprietäres System – das ICQ des Mikro-Bloggings.
Hier kommt identi.ca ins Spiel. identi.ca basiert auf der freien Software laconi.ca, die in einem für alle offenen Prozess entwickelt wird. Das verwendete Protokoll soll ein Standard werden. laconi.ca kann jederzeit auf einem eigenen Server installiert werden. Verschiedene Installationen können miteinander kommunizieren; ein dezentrales Netzwerk von unabhängigen Knoten könnte entstehen.
Pragmatiker mögen diesen Freie-Software-Argumenten wenig abgewinnen können, daher möchte ich auf die praktischen Unterschiede eingehen. identi.ca unterstützt die meisten der Funktionen, die von Twitter bekannt sind: Antworten, Private Nachrichten, Als Favorit markieren von Nachrichten, Löschen eigener Nachrichten, eine Profilseite mit Website und Kurz-Bio, das Abonnieren der Nachrichten von anderen Benutzern, und so weiter.
Besonders umfangreich ist die Unterstützung von Hashtags. Sie können nicht nur in Nachrichten, sondern auch in Profilen vergeben werden, die Suche ist direkt in die Oberfläche integriert und eine Tag cloud stellt die letzten verwendeten Tags dar. Weniger überzeugend ist zur Zeit noch die UTF-8-Unterstützung: Tags und Mails kommen mit Nicht-ASCII-Zeichen nicht klar, die ansonsten prima funktionierende Weiterleitung von Nachrichten nach Twitter scheitert auch bereits an Umlauten. Weitere Vor- und Nachteile hat Regine Heidorn in einem Blog-Beitrag genannt.
Im Gegensatz zum etablierten Twitter fühlt sich ein Identicaner wie ein Pionier. Es fehlen die Unmengen an mehr oder weniger nützlichen Programmen und Webseiten ebenso wie die Vielzahl an Twitternutzern. Dafür sind bei identi.ca viele Creative-Commons- und Freie-Software-Entwickler unterwegs, und die geniale Jabber-Integration macht die Arbeit mit identi.ca bereits ohne Werkzeuge sehr angenehm.
Insgesamt ist identi.ca eine schöne Alternative. laconi.ca ist Twitter in einigen Bereichen Twitter voraus, in anderen hinkt es hinterher. Abgesehen von der Verwendung freier Software bei identi.ca ist im Moment der unterschiedliche Nutzerstamm der wesentliche Unterschied.
Beispiel zur Dezentralität: vor einigen Tagen hat jemand meine „Dents“ aus einem anderen Service heraus abonniert, der ebenfalls auf laconica basiert. Ich halte das für den richtigen Weg in die Zukunft: egal, bei welchem Hoster man sich anmeldet, man kann jegliche Nachrichten von anderen Hostern abonnieren, ohne weitere Accounts eröffnen zu müssen, nur um zu bestimmten Menschen Kontakt halten zu können.
Weitere Funktion: mittels @Hashtag kann man eine Gruppe von Nutzern ansprechen, an die man die Tags vergeben hat, derzeit wird wohl an der Integration“echter“ Gruppen gearbeitet, was mir bei Twitter immer noch fehlt.