„Frauen an die Macht“ – Ein 3sat-Thementag

Am 14. Dezember bot 3sat einen der seltenen Gründe für mich, die im Desktop-PC eingebaute TV-Karte in Betrieb zu nehmen: Einen ganzen Tag beschäftigte sich der öffentlich-rechtliche Sender mit Frauenbewegung, Feminismus und der Rolle der Frau früher wie heute. Aus Anlass des 90-jährigen Bestehens des Frauenwahlrechts in Deutschland und Österreich sollte insbesondere beleuchtet werden, wie weit wir auf dem Weg zu „wirkliche[r] Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen“ sind.

Chronologie

Der Thementag begann um 6 Uhr morgens und endete um 3.50 Uhr am nächsten Tag. Mein Einstieg stellte die deutsche Hera-Lind-Verfilmung „Das Weibernest“ dar; Langweilig, unambitioniert, wenig emanzipiert. Karrierefrauen lassen sich in einer ZDF-Nachmittagsgeschichte vom selben Mann schwängern und zeigen’s ihm am Ende richtig.

Die beiden darauffolgenden Beiträge über Frauen in naturwissenschaftlicher Forschung habe ich recht frustriert nur oberflächlich verfolgt; hängen bleiben konnte der Satz „Ich glaube, dass Frauen an Problemlösungen grundsätzlich anders herangehen“. Es folgte „1.000 Frauen und ein Traum“, eine Dokumentation über eine Kampagne, die 1000 Frauen aus 151 Ländern für den Friedensnobelpreis 2005 nominierte. Der Film bot interessante Einblicke in die Tätigkeit beeindruckender Frauen aus der ganzen Welt. Noch während des Films habe ich einen kurzen Wikipediaartikel über „PeaceWomen Across the Globe“ angelegt. „Weiblich, allein, über 50 sucht… Frauen auf Partnerschau“ bot wenig Neues.

„Frauen, die Prosecco trinken“ nach einem Roman von Marlene Faro war die zweite TV-Romanverfilmung des Tages. Die Themen blieben im von „Weibernest“ abgesteckten Feld: Karriere, Kinder, chauvinistische Männer, starke Frauen, Schwangerschaft. „Ungeschminkt: Jane Fonda – James Lipton im Gespräch mit Jane Fonda“ war sehr interessant, habe es leider nicht ganz sehen können. Auch die nächsten Programmteile habe ich verpasst, bis um 20:15 mit „Alles, was Recht ist! 90 Jahre Frauenwahlrecht“ eine Dokumentation zur Erkämpfung des Frauenwahlrechts in Österreich begann. Eine Dreiviertelstunde konnten sich geneigte Zuschauer daran erinnern lassen, dass Feminismus auch im deutschsprachigen Raum keine Erfindung der 1960er Jahre ist.

Den Höhepunkt des Tages stellte die Virginia-Woolf-Verfilmung „Orlando“ aus dem Jahr 1992 dar. Ästhetisch und intellektuell hochwertig, wenig expressiv. Es empfiehlt sich sehr, vorher zumindest eine Zusammenfassung der Handlung zu lesen. Das Simone-de-Beauvoir-Porträt bot einen kurzen Überblick über Leben und Wirken. „Diese Liebe“ über Marguerite Duras und ihre Beziehung zum 30 Jahre jüngeren Yann Andréa habe ich nur noch zur Hälfte gesehen. Interessantere Beiträge mit internationaler Ausrichtung wurden leider in die späte Nacht verbannt und konnten so wohl kein großes Publikum erreichen.

Bewertung

Während wichtige Frauen des 20. Jahrhunderts zwar sehr unterschiedlich, aber doch überzeugend behandelt wurden, ließen die aktuellen Beiträge stark zu wünschen übrig. Insbesondere die beiden ersten beschriebenen Spielfilme vermittelten den Eindruck, für den Thementag wären einfach Versatzstücke mit der Beschriftung „Frau“ aneinandergehängt worden. Wenn die aktuellen Beiträge für einen Moment inhaltlich relevant wurden, gab es Enttäuschendes zu hören. Zurück bleibt der Eindruck, es ginge heute nicht um Gleichheit, sondern um Macht. Gehofft wird nicht auf eine menschliche Zukunft, sondern das „Jahrhundert der Frauen“ – Egalia lässt grüßen.

Passend dazu habe ich mich vor einigen Tagen bereits über ein Interview mit der Biologin und Nobelpreis-Trägerin Christiane Nüsslein-Volhard im Blog Maedchenmannschaft geärgert, die bsw. nach Geschlechtern getrennten Unterricht in naturwissenschaftlichen Fächern vorschlug. Anstatt gegen überkommene Rollenbilder und Ungleichheiten anzukämpfen, wird Ungleichbehandlung so gefestigt. In den Vereinigten Staaten wird der Gedanke weitergedacht und mit der Anpassung des Unterrichts an die Geschlechterrollen experimentiert – Gruppenarbeit für die Mädchen, Football für die Jungen. Feminismus 2.0.

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3 Antworten auf „„Frauen an die Macht“ – Ein 3sat-Thementag“

  1. Natürlich geht es um Macht und allem was damit zusammenhängt. Um was denn sonst?

    Und zur Koedukation: Das einzige was hierzulande die Koedukation noch am Leben erhält, ist die Angst der Feministinnen, dass bei einem Ende der Koedukation nach und nach die Lehrpläne ebenfalls geschlechtsgeteilt werden. Und am Ende die Mädchen wieder bei Hauswirtschaft, Gymnastik und Musizieren als Hauptfächer angelangt sind.

    Objektiv betrachtet ist die Koedukation gescheitert.

  2. Ein Feminismus, der lediglich darum bemüht ist, die Situation von Frauen zu verbessern und ihnen mehr Macht zu verschaffen, kann keine bessere Welt erreichen; er kann nur eine Ungerechtigkeit durch eine andere ersetzen. Das hat Gerd Brantenberg literarisch in ihrem Roman „Die Töchter Egalias“ dargestellt.

    Daher muss das Ziel eine Gesellschaft sein, in der frei von vorgefertigten Rollen und unabhängig von Geschlecht gelebt werden kann. Eine solche Gesellschaft wird nicht erreicht, wenn Frauen einseitig und in festgelegten Rollen gefördert werden. Einseitige Maßnahmen können helfen, ein besonderes Ungleichgewicht abzuschwächen, sie sollten aber mit Bedacht eingesetzt werden.

    Das Aufteilen von Schülern nach geschlechtlichen Gesichtspunkten festigt vorgegebene Rollen und fördert Heteronormativität. Die von dir geannte Angst von Feministinnen ist mit Hinblick auf den von mir verlinkten Focus-Artikel nicht unbegründet.

    Gruß,
    Adrian

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