Die dritte re:publica hat am Mittwoch im Berliner Friedrichstadtpalast begonnen.
Ich konnte vom ersten Tag nicht viele Veranstaltungen besuchen. Sehr interessante Einblicke vor allem in die iranische, deutsche, russische und US-amerikanische virtuelle Gesellschaft bot „Mapping the global blogosphere“. Über Verlinkungen und gemeinsame Themen wurden Blogs in Clustern angeordnet. Durch Ausblendungen und Einfärbungen wurde visualisiert, welche Blog-Szenen bsw. welche Mainstream-Medien verlinken. Danach folgte eine Podiumsdiskussion mit der selbsterklärten „Spitze“ der „deutschen Blogosphäre“. Hier habe ich mich zum ersten Mal an diesem Tag geärgert; nicht nur darüber, dass ich fünf arroganten weißen deutschen Männern eine Stunde bei ihrer Selbstbeweihräucherung zugehört habe. Markus Beckedahl von netzpolitik.org behauptete, Twitter wäre – anders als Facebook und andere Vertreter – kein „geschlossener Garten“. Selbstverständlich ist Twitter genau das, denn der Nutzer wird an eine unfreie Plattform gebunden und seine Daten und Werke eingesperrt. Dass so etwas in einem solchen Rahmen unwidersprochen behauptet werden kann und mit Markus Beckedahl von einer Person behauptet wird, die sich selbst als stark mit Creative Commons und Netzpolitik assoziiert darstellt und auch so wahrgenommen wird, ist bedenklich und sagt mehr über unsere Blog-Szene aus als die Diskussion in der die Behauptung getroffen wurde. Positiv in Erinnerung geblieben ist mir noch die Kritik, deutsche Blogger würden häufig wenig eigene Werke schaffen und zu viel nur kopieren, verlinken und zitieren; eine Kritik, die ich in letzter Zeit ironischerweise besonders an netzpolitik übe.
„Die Medienwelt im Wandel“ war eine weitere Podiumsdiskussion, die insbesondere mit dem der-freitag-Herausgeber Jakob Augstein Zuschauer lockte. Die linke Wochenzeitung der freitag hatte sich in den letzten Monaten in der deutschsprachigen virtuellen Gesellschaft etwas ins Gespräch gebracht, da sie versucht Blogger und Journalisten in gedruckter und Online-Zeitung stärker zu integrieren. Die Diskussion war zu Beginn recht lahm, später aber durchaus anregend. Ein interessanter Aspekt den Augstein ansprach und für den er stark angegriffen wurde war die Behauptung, die mit dem Zusammenbruch der klassischen Massenmedien wegfallende Vierte Gewalt als Kontrollinstanz könnte nicht durch Blogs ersetzt werden. An dieser Stelle sieht er also einen qualitativen und unüberwindbaren Unterschied zwischen klassischem Journalismus und Bloggern. Die behauptete Kontrollfunktion mag vielleicht für einige wenige Institutionen wie DIE ZEIT gelten – Pressemitteilungs- und Agenturnachrichtenabschreiber vom Kaliber eines Spiegel Online werden Schwierigkeiten haben den Großteil ihres Auswurfes nachvollziehbar in einen solchen Kontext zu stellen. Auf der anderen Seite gibt es durchaus Blogs, die politisch relevante Arbeit leisten und mit entsprechendem Umfeld einen Kontrolldruck ausüben könnten.
Die letzte Veranstaltung des Tages für mich war „Großstadt-Nomaden“ – wiederum eine Podiumsdiskussion, und noch langweiliger als die beiden anderen, so dass ich den Plausch über mobiles Mikroblogging nach der Hälfte der Zeit alleine ließ und nach Hause ging.
Vielleicht habe ich mich von meinen Hoffnungen täuschen lassen, aber ich hatte eine deutlich politischere Konferenz erwartet als das, was sich mir am 1. April darstellte. Der erste Tag der re:publica 2009 hatte das revolutionäre Potential eines Die-Ärzte-Konzerts. Vor dem Friedrichstadtpalast schien sich der Teil der Bloggerszene zu sonnen, bei dem nicht mal dann ein „Shift“ stattfindet wenn er vom Stuhl geschubst wird. Die Konferenz ebenso wie ihre Besucher kann und will keine Veränderung erreichen. Nicht in der virtuellen Gesellschaft, geschweige denn über sie hinaus.
Abgesehen davon, dass es enttäuschend ist, bin ich auch noch enttäuscht. Von der Technik: WLAN und Strom in homöopathischen Dosen, die eher nach Entzug riechen, Ethernet gar nicht. Von den Veranstaltungsorten. Vom Essen, das teuer und entweder warm oder vegetarisch und vermutlich in keinem Fall lecker ist. Vom Preis; als Blogger schon nur noch 40€, aber wofür hab ich noch nicht verstanden.
2 Antworten auf „re:publica 2009 Tag 1“