Zur Zeit ist das Online-Petitionssystem des deutschen Bundestags ein heißes Thema. Vor einigen Monaten gab es die Petition zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens, diese Woche „Keine Indizierung und Sperrung von Internetseiten“.
Grundsätzlich sind Petitionen ein sehr schwaches Kontrollmittel in einer repräsentativen Demokratie, und nicht als Element direkter Demokratie zu verstehen. Der konkrete Effekt ist, dass sich der Petitionsausschuss (wenn überhaupt) mit der Petition beschäftigt. Florian Holzhauer hält die Petition daher für „völlig sinnfrei“ – eine Haltung, der ich normalerweise geneigt bin zuzustimmen. Im konkreten Fall sehe ich jedoch ein positives Beispiel für Petitionen:
Florian reduziert die Petition darauf, welchen Einfluss ihre Bearbeitung im Bundestag hat. Zu recht kann in diese Viertelstunde mit Zur-Kenntnisnahme-Auswurf nicht viel Hoffnung gesetzt werden. Die Petition kann aber mehr. Ich wurde in den letzten Tagen von Menschen angeschrieben, von denen ich seit Jahren nichts gehört habe. Menschen, die sich nicht intensiv mit Internet oder Politik auseinandersetzen. Menschen, die trotzdem auf die Petition aufmerksam wurden und sie ihrem gesamten Adressbuch zugeschickt haben. Ich selbst habe einige Leute angeschrieben und mich mit ihnen über das Thema unterhalten. Das heißt, die Petition hat das Thema deutlich über die Netzpolitik-Kreise hinaus bekannt gemacht. Sie hat Menschen dazu gebracht, im echten Leben aktiv zu werden. Genau das, was Florian später in seinem Beitrag fordert: Aufklärungsarbeit und selbst aktiv werden. Das geht auch ohne Petition, aber anscheinend besser mit. Die Petition wurde auch schon gestern in der Bundestagsdebatte erwähnt – nicht viel, aber mehr als viele andere Petitionen schaffen. Und nicht zuletzt sind 50.000 Unterschriften in drei Tagen – in einem langsamen, registrierungspflichtigen System – wirklich beachtlich. Sie sind ein deutliches Zeichen dafür, dass Widerstand gegen den Gesetzesentwurf nicht aus den Reihen der Täter kommt.
Es ist leicht, ein Mittel für sinnfrei zu erklären. Es bringt vermutlich auch viele Leser für den Blog und den Ruf, gegen den Strom zu denken. Aber selbst wenn ein Mittel schwach ist – nichts tun ist schwächer. Und solange das schwache Mittel so leicht zu bedienen ist, sollte es auch genutzt werden. Ich gehe auch auf Demonstrationen, obwohl sie vermutlich nichts bringen. Volle Unterstützung hat Florian aber, wenn er schreibt: „Wenn meine Polemik hier wenigstens ein paar Nerds dazu bringt, sich mal zu überlegen was man sonst machen könnte, dann bin ich schon zufrieden.“ Die Petition mag Aufmerksamkeit generieren, die Welt wird sie ebensowenig ändern wie den Gesetzesentwurf verhindern. Sie ist ein Baustein, und könnte ein wichtiger werden. Wer sich wegen der drei Klicks schon als hinreichend aktiv geworden ansieht, leidet unter genau der Verblendung, die Florian kritisiert. Wer sich zu gut für die drei Klicks ist, leidet unter intellektuell vorgetragener Faulärschigkeit. Glücklicherweise bestreitet Florian nicht, feige und egoistisch zu sein.
Noch eine kleine inhaltliche Anmerkung: Florian kritisiert die Verwendung des Begriffs „indizieren“, da er ihn auf die BPjM bezieht. Der Begriff kann aber genauso allgemein als „auf eine Liste setzen“ verwendet werden. Die sprachliche Anlehnung an die BPjM-Liste ist inhaltlich durchaus gerechtfertigt, auch wenn sie umgangssprachlich klingt.
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