1. Mai 2009

Am letzten Freitag lockten verschiedene Veranstaltungen zum 1. Mai in Kreuzberg und Umland. Wie viele andere entschied ich mich für die Anti-NPD-Demo und -Aktionen in Köpenick und verbrachte den Rest des Tages in Kreuzberg und auf der traditionellen 18-Uhr-Demo.

Köpenick

Als gemeinsamer Treffpunkt für die Anreise nach Köpenick war der S-Bahnhof Ostkreuz angekündigt. Der S3-Bahnsteig war zur Freude aller um 9:40 völlig überfüllt, die Anreisenden füllten drei S-Bahnen bis an die Grenzen aus. In Köpenick blieben die Demonstranten auf dem Bahnsteig, da vermutet wurde, dass Nazis ebenfalls mit der S-Bahn anreisen würden. Die Polizei war auf dem Bahnsteig in voller Ausrüstung präsent und forderte – kaum hörbar – zum Verlassen desselben auf. Es folgte eine Sitzblockade, die unter Einsatz von Pfefferspray geräumt wurde. Da der Bahnhof Köpenick nur einen Ausgang hat und von diesem ausgehend geräumt wurde, konnten die Demonstranten den Bahnsteig nicht eigenmächtig verlassen; Einige flohen über die Bahngleise. Wie später bekannt wurde brannten zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Baracken an der S-Bahn-Strecke, so dass der S-Bahn-Verkehr ohnehin unterbrochen war.

Polizisten und Kinder am S-Bahnhof Köpenick Ich wurde bereits zu Anfang, kurz nach dem die Pressevertreter entfernt wurden, aus dem Bahnhof befördert. Unten versuchten Demonstranten, den Bahnhof zu blockieren oder zurück zu der Blockade auf dem Bahnsteig zu gelangen. Auch dabei wurde Pfefferspray eingesetzt und einige Personen festgenommen. Allmählich schlossen sich die meisten Blockierer der angemeldeten Demonstration auf der anderen Seite des Bahnhofs an oder verteilten sich entlang der Absperrungen um die NPD-Parteizentrale. Die von SPD, Gewerkschaften und Grünen dominierte Demonstration bestand aus rund 3000 Personen. Bereits kurz nach Beginn verließen die meisten militanten Aktivisten den Zug um schneller zu den Absperrungen zu gelangen. Dort wurden auf einem Balkon drei mutmaßliche Nazis entdeckt, von dem einer den Hitlergruß zeigte. Sehr bald wurde er mit Steinen und Flaschen beworfen; die heranstürmende Polizei nahm mindestens vier Demonstranten fest, bevor eine Gruppe Polizisten in das Haus eindrang und wenig später Beamte auf dem Balkon zu sehen waren.

Ein Nazi beim Hitlergruß zeigen Nachdem sich die Demonstrationszüge wieder vereinigten folgte eine Abschlusskundgebung und die Teilnehmer kehrten größtenteils wieder zur S-Bahn zurück. Während der Fahrt gab es zwei kurze Außeinandersetzungen mit je einer als Nazi identifizierten Person. Angeblich waren 700 Personen auf der NPD-Veranstaltung anwesend.

Polizisten vor dem Wohnhaus des Nazis Köpenick fühlte sich „erfolgreich“ an. Die anreisenden Nazis konnten zumindest deutlich behindert werden, die Presse berichtet überwiegend positiv gerade über die Konfrontation mit der Polizei. Die NPD musste ihre Veranstaltung in den Hof ihrer Zentrale verlegen, eine Kundgebung oder gar Demonstration fand nicht statt. Ein breites linkes Bündnis konnte ohne Streitereien gemeinsam agieren, zwischen dem großen militanten Potential und den gemäßigten Demonstranten herrschte Solidarität. Die Gesamteilnehmerzahl halte ich jedoch für knapp nicht blamabel für eine Stadt wie Berlin.

Kreuzberg

Antifa-Fahne auf den Dächern Kreuzbergs

In Kreuzberg war das Myfest um halb 3 in vollem Gang, von der 13-Uhr-Demo war nichts zu sehen. Die 18-Uhr-Demo formierte sich auf der Reichenberger Straße und nicht wie im letzten Jahr direkt vom Kottbusser Tor aus. die Polizei war kaum präsent. Neben einem Mumia-Abu-Jamal-Block waren vor allem kommunistische Gruppierungen, eine kurdische Gruppe und ein sehr großer autonomer Block sichtbar. Sofort nach Beginn des Zuges wurde eine kleine Gruppe Polizisten, die die Aral-Tankstelle in der Skalitzer Straße sicherte, angegriffen. Weiter ging es traditionell durch das Myfest, wo der Zug ebenso traditionell kaum von einem Kiezspaziergang zu unterscheiden war. Ab der Muskauer Straße wurden die wenigen anwesenden und zurückhaltend agierenden Polizisten weiter mit Steinen und Flaschen beworfen. Am Lausitzer Platz wurde – wie ich später erfuhr – beschlossen, die Route deutlich zu verkürzen und direkt durch die Wiener Straße zurück zum Kottbusser Tor zu ziehen. Ob dieser Entscheidung ein Teilstreckenverbot der Polizei vorausging, ist noch unklar.

Auf der Wiener Straße traf der Zug vor der Feuerwache auf zwei unbewachte Polizeifahrzeuge, die sofort heftig angegriffen wurden. Herbeieilende Polizisten mussten sich Richtung Kottbusser Tor zurückziehen, wohin ein Großteil der bald aufgelösten Demonstration folgte. Die anschließenden Auseinandersetzungen um das Kottbusser Tor zogen sich bis in die Nacht hin.

Polizisten vor der Feuerwache in der Wiener Straße

Anders als bei den meisten anderen Demos waren die Aktionen der Teilnehmer – aus meiner Sicht – unprovoziert und überraschend heftig. Nach der Demonstration gingen die Aktivitäten weniger von Autonomen als vielmehr von unpolitischen Personen aus. Dennoch fällt es mir schwer das Geschehen als Krawall erlebnisorientierter Jugendlicher abzutun – es war durchaus bei vielen Teilnehmern eine große Wut auf die politische Situation zu erkennen, die sich – wenn auch nicht besonders zielgerichtet — entlud. Die Außenwirkung dürfte unabhängig von Parolen, Transparenten oder Texten ohnehin die gleiche sein.

Nachdenklich stimmt mich allerdings, wie ungeschickt und rücksichtslos gerade während der Demonstration vorgegangen wurde. Mitten in der Demo stehende Polizisten wurden regelmäßig weiter beworfen, ein (gut besuchtes) Café wurde stark beschädigt, einige Demonstrationsteilnehmer mussten von Polizisten in die Feuerwache gerettet werden, weil ebenjene gerade Ziel heftiger Angriffe war. Gemeinsam mit zwei anderen Autonomen musste ich zwei junge Frauen und eine Frau mit Kleinkind regelrecht aus dem Steinehagel retten. Ketten habe ich praktisch nirgendwo gesehen, so dass regelmäßig fluchtartig vor heranstürmenden Polizisten zurückgewichen wurde. Auf die körperlichen und emotionalen Grenzen der anderen Teilnehmer wurde keine Rücksicht genommen.

Passend dazu musste ich feststellen, dass überwiegend Männer an den Ausschreitungen beteiligt waren und keinen Hehl aus ihrer Machtfixiertheit machten. Statt Rücksichtnahme waren „Mut“ und „Feigheit“ wieder Dimensionen der persönlichen Interaktion.

Diese Erfahrungen stehen im deutlichen Gegensatz zu militanten Demonstrationen der letzten Jahre, bei denen ich überwiegend vorsichtige, rücksichtsvoll durchgeführte und gut durchdachte Aktionen wahrnahm. Polizeiliche Repression, gegen die sich solche Aktionen häufig wenden, konnte ich hingegen besonders zu Beginn kaum feststellen. Wasserwerfer wurden den ganzen Tag nicht eingesetzt, Tränengas nicht so stark wie ich es gewöhnt bin.

6 Antworten auf „1. Mai 2009“

  1. hallo,

    bitte bei den Bildern die Geischter unkenntlich machen und auch Schuhe etc. einfach alles was den Bullen besser bei Ihren Nachermittlungen hilft!!!
    Am besten macht Mensch eh keine Privatfotos sondern überlässt das endlich mal den Presseleuten von uns!

    Mensch kann sehr gut die einzelnen Personen erkennen (zB beim wegrennen übern Bahnsteig, etc.) und das ist nicht grad hilfreich für uns..

    Danke.

  2. Hab die beiden potentiell kritischen Fotos entfernt. Mindestens das auf dem Bahnhof dürfte allerdings nicht wirklich ein Problem darstellen, da einerseits dort keine Aktionen liefen und andererseits sowieso massiv gefilmt wurde in der Situation. Aber meinetwegen, lieber zu vorsichtig.

  3. interessanter Text…für die Fotos interessieren sich sicher auch andere Organe. ;-)

    Nur leider etwas einseitig beschrieben….wünschte mir mehr Hintergrundinfo´s zum wieso & warum.

    vg

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