Keine Sinnentstellung

Die Piratenpartei hat einen Wahlspot; wie bereits erwartet fiel die Entscheidung auf den urheberrechtlich zumindest für mich als Dogmatiker sehr bedenklichen Film „Klarmachen zum Ändern“. Aber gut, ich will den Streifen ja auch nicht einem Millionenpublikum im größten Fernsehsender Deutschlands zeigen. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass Freunde gepflegter Urheberrechtsverwirrungen für ihr Amüsement nicht mehr auf Wikimedia Commons nach von argentinischen Lehrern in Kroatien angefertigten Photographien in Serbien angebrachter Michael-Jackson-Plakate suchen müssen – mit den Wahlwerbefilmen der Piratenpartei tut sich ein ganz neues Feld auf.

Wie um das zu beweisen wurde gestern ein weiterer, zugegebenermaßen sehr professioneller Vertreter dieser Gattung auf YouTube veröffentlicht und prompt auf dem Marktplatz der Digitalen Bohemé – Twitter – begutachtet und gefeiert. Die Autoren des Films wollten alles richtig machen, und so konnte die interessierte Urheberrechtsbegeisterte zu Beginn des Streifens die „Lizenzangabe” „(CC) Namensnennung, Weitergabe unter gleichen Bedingungen, keine kommerzielle Nutzung + keine Sinnentstellung“ lesen. Immerhin – die urheberrechtliche Situation der Musik scheint diesmal geklärt, denn sie steht unter der Lizenz „Creative Commons – Namensnennung“. Aber unter welcher Lizenz ist der Film freigegeben?

Creative Commons ist ein Lizenzsystem, mit dem sich Autorinnen ihre Lizenz aus verschiedenen Bausteinen zusammensetzen kann. Dabei reichen die Einschränkungen von der Pflicht zur Namensnennung („by“) über das Verbot kommerzieller Verwendung („nc“ – „noncommercial”) bis hin zur Verpflichtung, abgeleitete Werke unter der selben Lizenz zu veröffentlichen („sa“ – „sharealike“) – also dem klassischen Copyleft. Die wohl stärkste Einschränkung stellt aber das Verbot sämtlicher abgeleiteter Werke („nd“ – „nonderivative“) dar. Unter den aus diesen Teilen zusammengesetzten Lizenzen können nur „CC-by“ und „CC-by-sa“ als freie Lizenzen gelten, alle anderen sind lediglich Formalisierungen der Gratisweitergabe, bei Software häufig und missverständlich als „Freeware“ bekannt.

Zurück zum neuen Piratenspot. Der soll vermutlich – so deutet das geklammerte „CC“ an – unter einer Creative-Commons-Lizenz stehen. Aber welche? Eine Namensnennung ist erforderlich („CC-by“). Eine kommerzielle Verwendung wird verboten („CC-by-nc“). Auch abgeleitete Werke müssen unter der selben Lizenz stehen, die sich damit zu „CC-by-nc-sa“ ergibt. Eine letzte Klausel verbietet „Sinnentstellung“. Mangels direkter Repräsentation dieser Forderung im Creative-Commons-System interpretiere ich das als Verbot sämtlicher Bearbeitungen – „nd“. Es liegt also eine Lizenz vor, die die Ersteller abgeleiteter Werke dazu verpflichtet, ihr Werk unter der selben Lizenz freizugeben, und das Erstellen abgeleiteter Werke verbietet. Eine solche Lizenz (Also mit „sa“ und „nd“) existiert selbstverständlich nicht – es ergibt sich also „CC-by-nc-nd“ als Lizenz, die unfreieste der Creative-Commons-Lizenzen und kaum mehr als eine Erlaubnis zum kostenfreien Anschauen und Weitergeben.

„Sinnentstellung“ beschäftigt die Internetprominenz gerade auch an anderer Stelle und aus anderer Perspektive. Netzpolitik.org hat in bekannter, bindestrichverachtender Weise zum „Remixen“ – also dem Anfertigen „sinnentstellender“ Bearbeitungen – eines CDU-Wahlplakats aufgerufen. Prompt folgte die Drohung einer Unterlassungsklage durch die Photographin. Hier entlarvt sich das internetausdruckende Establishment selbstverständlich wieder als freiheits- und diskursfeindlich – Eigenschaften, die Netzpolitikern keinesfalls zugeschrieben werden können.

Damit ich neben der Polemik auch mal wieder über Inhalte schreibe, möchte ich auch dem Inhalt des neuen Spots einen Absatz widmen. In diesem fordert unter anderem ein Gerd mit dem üblichen positiven Bezug auf das Grundgesetz, dass „unsere Bundeswehr eine Verteidigungsarmee […] bleibt, und, dass unsere Bundeswehr nicht für andere Zwecke missbraucht wird“. Wer das wie ich als das übliche pazifistische Bekenntnis gegen Angriffskriege wie in Afghanistan deutet, liegt leider weit daneben. Ganz im Gegenteil geht es hier nämlich nicht darum „die Jungs heimzuholen”, damit sie nirgendwo Schaden anrichten, sondern sich nicht selbst mit ihnen rumschlagen zu müssen: es geht um die Ablehnung des Bundeswehreinsatzes im Inneren. Anders als die Verhinderung von Bundeswehreskorten für Frau Merkel scheint ein Ende staatlichen Mordes für die Piratenpartei nur ein Nebeninteresse.

Übrigens, Adrians Blog steht unter der freien Creative-Commons-Lizenz „CC-by-sa 3.0“ und damit allen Interessierten zur freien Nutzung zur Verfügung. Als Namensnennung bevorzuge ich „Adrian Heine“. Ich garantiere dafür, dass von mir verwendete Werke eine solche Verwendung zulassen. Genug Seitenhieb.

4 Antworten auf „Keine Sinnentstellung“

  1. Kannst du nochmal erklären, wie die Lizenzebene „nc“ vor „sa“ liegt? Es klingt so, als würde Baustein für Baustein erweitert:
    „by“ → „by-nc“ → „by-nc-sa“ → „by-nc-nd“
    ↓ → „by-sa“

    Sieht ja doch ganz stringent aus. Im Bausteinpacket „by-nc-sa“ steht „nc“ vor „sa“. Allerdings war für mich die logische Abfolge nach der jemand seine Lizenz aussuchen würde immer der Weg von frei nach unfrei:
    „0“ → „by“ → „by-sa“ → „by-nc-sa“ → „by-nc-nd“
    Das die tatsächliche Aufteilung, wiedersprüchlich zu der intuitiven Skala ließe sich damit begründen, dass der wichtigste Copyleft-Baustein „sa“ zur besonderen Betonung am Ende stehen soll, oder damit, dass so bei der sukzessiven Erweiterung mit „nd“ das „nc“ nicht verrückt werden muss. Ersteres wage ich eigentlich inzwischen kaum mehr CC zu unterstellen. Letzteres ergibt ebenfalls wenig Sinn, denn so muss, wenn von einem sukzessiven Bausteinsystem ausgegangen wird, das „sa“ nach rechts wandern. Allerdings gibt es auch „by-nc“.
    Gibt es also irgend einen Grund dafür, dass CC dieese Reihenfolge gewählt hat und „nc“ scheinbar vor „sa“ steht?

    1. Erstmal danke für den Hinweis, ich hatte oben „CC-by-sa-nc“. Ich weiß zumindest nicht, welche Gedanken bei der Wahl der Reihenfolge der Bausteine zu Grunde lagen. Ich könnte mir vorstellen, dass in der undogmatischen Creative-Commons-Kultur das „non-commercial“ als wesentlich wichtiger als das „share-alike“ erachtet wird.

  2. Feiner Rundumschlag.

    Der unwissende Umgang mit Creative-Commons-Lizenzen ist manchmal keinen Deut besser als wenn RTL irgendwo „Quelle: Internet“ einblendet, wenn mal wieder ein Fundstück aus dem Netz vorgeführt wird.

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