Vor rund einer Woche bekam ich per Mail eine Anfrage nach einer bestimmten Broschüre aus meiner (geerbten) Sammlung; es ging um den 15-seitigen Text „Auseinandersetzung mit der neofaschistischen Roll-Back-Strategie gegen die Emanzipation der Frau“ von Ursel Döhmann, den ich daraufhin eingescannt und per OCR in Text umgewandelt.
Der Text wurde nach dem Juni 1989 geschrieben und vermutlich spätestens im Frühjahr 1990; er stammt damit aus der Gründungszeit der ersten dedizierten Antifagruppen. Insbesondere bietet er einen Einblick in die frühe feministische Antifaarbeit und feministische Faschismustheorie. Am 19. und 20. Januar 1990 fand in Bonn das erste feministische Antifatreffen statt; der Text steht in direktem Zusammenhang mit diesem Treffen und entstammt vermutlich der Vor- oder Nachbereitung dieses Treffens. In den folgenden Jahren gründeten sich neben vielen gemischtgeschlechtlichen und allgemein ausgerichteten Antifagruppen auch Frauen- und feministische Antifagruppen, von denen sich einige „Fantifa“ nannten. Wie viele andere Antifagruppen verschwanden diese Mitte bis Ende der 1990er Jahre – anders als bei gemischten Gruppen gab es hier jedoch anscheinend keine Nachfolgeorganisationen oder Neugründungen, so dass alle mir bekannten Antifagruppen weder Frauengruppen sind noch sich auf die damals bearbeitete feministische Faschismustheorie stützen. Stattdessen beziehen sich die meisten Gruppen mit feministischem Selbstverständnis soweit ich das sehe eher auf die Queertheorie und die kritische Theorie nach antideutscher Lesart.
Inhaltlich bietet der Text einiges: Eine Darstellung faschistischer und konservativer Frauenbilder und deren hegemoniale Position quer durch die Gesellschaft, die Relevanz dieser Analyse und damit der Frauenfrage für antifaschistische Arbeit, Abrechnungen mit verschiedenen (linken) Antworten auf die Frauenfrage, eine Auseinandersetzung mit der Arbeit in geschlechtergemischten Gruppen, uvm. Interessant zum Beispiel folgendes Zitat der damaligen Führung des Bund deutscher Frauenvereine aus dem Jahr 1914, das Burgfriedenspolitik auf die Frauenfrage angewandt zeigt:
Die neuen Aufgaben, die sich die Frauen In jedem Volk gesetzt hatten, bergen in sich keinerlei Gegensatz zu den anderen Völkern, sondern nur Gemeinsames (…). So war das Wort ‚Schwestern‘ für die Frauen der anderen Länder natürlich; wir freuten uns an ihren Erfolgen, uns schmerzten ihre Niederlagen (…). Und indem wir das taten – das spreche ich hier nicht zum ersten Mal aus -, fühlten wir um so stärker, wie sehr wir doch in unserer eigenen deutschen Art wurzelten, wie sehr in aller Gemeinsamkeit der theoretischen Grundlinien unsere Auffassung und Betrachtung der Frauenprobleme sich Zug um Zug abhob von der der anderen, weil sie Blut von deutschem Blut und Seele von deutscher Seele war (…). Jetzt fragt es sich: machen die Erziehung und die Arbeit der Frauenbewegung die Frauen fähiger zu der riesigen Kraftprobe, die unser Volk im Augenblick zu leisten hat? Wenn die Antwort auf diese Frage nicht unbedingt und selbstverständlich ‚ja‘ lauten kann, so ist unsere bisherige Arbeit gerichtet und erledigt. In dieser Bedeutung gilt heute auch das uralte Wort von dem Krieg als dem Vater und König von allem, unter dessen Gebot die Menschen sich klein oder groß, feige oder tapfer erweisen.
Hallo Adrian,
eine Freundin hat mich auf deinen blog aufmerksam gemacht.
Ich habe damals unter anderem diese Broschüre verfasst und das erste fantifa-Treffen organisiert.
Die fantifa siedelte sich bald autonomen Gruppen zu, dort können noch autonome feministische Frauengruppen bestehen.
Du hast auf eine Nachfrage reagiert, wenn von dort noch weitere Informationen gewünscht werden, werde ich gern darauf eingehen.
Es ist für mich erfreulich zu lesen, dass meine Arbeit nicht ganz untergegangen ist.
Welches Archiv hast du denn geerbt?