Ein paar ungeordnete, nicht-stringente Punkte von mir zum GenderCamp:
Allgemeines Erleben
Ich habe das GenderCamp persönlich als großartig wahrgenommen, zumindest bis zum (dazu später mehr). Ich habe allerdings wahrgenommen, dass das nicht allen so erging. Darüber hinaus frage ich mich, wie viele Menschen, die die bisherigen GenderCamps nicht als angenehm erlebt haben, gar nicht erst gekommen sind oder (mir) nicht mehr so präsent waren. Ich habe diesen Vorgang als tendenzielle Entdiversifizierung und Heterosexualisierung wahrgenommen.
Kinder und Kollektivität
Die Präsenz von Kindern aus/in/mit ausschließlich von mir als hetero-, cis- und monosexuell wahrgenommenen Familienkonstellationen war vermutlich wesentlich für diese verstärkte Wahrnehmung und Präsenz solcher hetero-, cis- und monosexuell lebender Personen.
Bisher hatte ich bei kollektiver Kinderbetreuung hauptsächlich an die Bezugspersonen der Kinder und die Kinder selbst gedacht. Das GenderCamp hat mir eine deutliche Perspektive auf die betreuenden Personen und den sozialen Raum in dem die Betreuung stattfindet, geöffnet. Die Kinderbetreuung hat meinem Empfinden nach die dominante Sichtbarkeit der o. g. Lebensentwürfe deutlich gemindert.
Ich betrachte kollektive Kinderbetreuung (auf politischen Veranstaltungen) jetzt auch als Chance, die gesellschaftlich dominanten Formen von Kollektivität (mit Kindern) zeitweise zu öffnen. Mein Ziel wäre es dabei, Menschen, deren Verhältnis zu Kindern eher schmerzhaft oder von Unsicherheit geprägt ist, positive Erfahrungen von Kollektivität (mit Kindern) zu ermöglichen. Schlussendlich kann queere Kollektivät aber nur dadurch Präsenz und Realität erreichen, dass queere Kollektivitäten selbst präsent werden und für Queers als begehr- und erreichbar erscheinen, nicht durch die vorübergehende und unwesentliche Öffnung weniger queerer Kollektivitäten.
Ich fand den Vortrag „Die unmögliche Möglichkeit queerer Kollektivität“ von Mike Laufenberg und Bini Adamczak sehr hilfreich zur Frage queerer Kollektivität.
Aus meiner Bezugsperson-Perspektive hat die Kinderbetreuung großartig funktioniert, ich konnte viele Veranstaltungen besuchen und die Kinder und Betreuenden schienen viel Spaß zu haben.
Ich bin sehr gespannt auf das Wer lebt mit wem, warum und wie?, das ich als gleichzeitig queerer und kinderfreundlicher erlebt habe.
Kritik
Ich hatte das Gefühl, dass sehr viele Ressourcen in solidarische Kritik gingen, während wichtigere und lösbarere Probleme nicht angesprochen wurden. Ich habe dafür auch keine Lösung.
Awareness und Orga
Das Awareness-Team hat aus meiner Sicht im Vorfeld großartige Arbeit geleistet. Die vorgeschlagenen Werkzeuge wurden überall wo ich war gerne genutzt und haben einen deutlichen Effekt gehabt. Ich habe selbst noch nie so viel über mein (Gesprächs-)Verhalten nachgedacht.
Ich denke allerdings, dass sich Awareness- und vermutlich auch Orga-Team deutlich überfordert haben, spätestens auf dem GenderCamp, vielleicht auch schon vorher. Wenn ich richtig gezählt habe war rund ein Drittel der Teilnehmer_innen in einer der beiden Gruppen und damit quasi Vollzeit mit der Orga beschäftigt. Dieses Verhältnis scheint mir völlig absurd und sehr problematisch. Das Ergebnis davon war, dass ein Drittel der Teilnehmer_innen kaum teilnehmen konnten, sie große Lasten tragen mussten und teilweise als ausschließende und negative Gruppe wahrgenommen wurden.
Wissenshierarchien
Ein weitere Konsequenz war eine heftig ungleiche Verteilung von Informationen. Am gab es ein gemeinsames Plenum von Awareness- und Orga-Gruppe. Manche wussten, dass dieses Plenum stattfindet, andere nicht. Manche wussten teilweise, worum es geht, andere nicht. Viele haben hinterher manches erfahren, viele nicht.
Ich kann nachvollziehen, dass bestimmte Diskussionen nicht in der gesamten Gruppe geführt werden sollen und bestimmte Informationen nicht für alle gedacht sind. Ich kann nachvollziehen, dass Personen Kritik möglicherweise nicht üben, wenn sie fürchten müssen, dass diese im Gesamtplenum ausgebreitet und diskutiert wird. Ich finde es genauso verständlich, dass die Menschen aus Orga- und Awareness-Gruppen über belastende Themen mit bestimmten Personen reden wollen.
Das Ergebnis ist aber aus meiner Sicht katastrophal: Wissen und Unsicherheit wird ungleich entlang den Linien persönlicher Beziehungen und sozialer Positionen verteilt.
danke für den text :) ich war ja dieses jahr nicht dabei, habe aber trotzdem mitgefiebert und die tweets verfolgt. ich wollte fragen, ob du eine idee zu der überforderung der orga hast. die abzusehende überforderung auf dem camp, im voraus und auch auf dem letzten camp war für mich ja der ausschlaggebende punkt, mit dieses jahr rauszuziehen. die orga-gruppe zu vergrößern und eine awarenessgruppe, die – mit überschneidungen – parallel zur orga an diesem wichtigen thema arbeitet, war ja eine idee, um mit der überforderung aus dem letzten jahr umzugehen. was denkst du denn zu dieser frage? ist das mehr-schultern-modell besser oder verstärkt es probleme vielleicht sogar, zum beispiel in bezug auf wissenshierarchien?
danke auch für den vortragstipp, den werd ich mir anhören :)