Bericht zum 2. fsa09-Prozess

So, der heutige Prozesstag ist vorbei, hier mein Bericht.

Haupteingang des Gerichts, Photo von H. Michael Stahl, CC-BY-SA-3.0

Der Prozess begann wohl um 9:00 Uhr, meine Anhörung sollte um 10:30 Uhr stattfinden. Ich bin ohnehin schon zu spät zuhause los und kam dann 10 nach halb beim Gerichtsgebäude an. Nach der Kontrolle am Eingang (Alle Kleidungsstücke und Taschen leeren, dann mit Metalldetektoren abgefahren werden) hetzte ich durchs ganze Gebäude, um den Saal zu finden; von Wegweisern keine Spur. Ich fand den Saal schließlich gegen 10:50 Uhr, meldete mich beim zuständigen Mitarbeiter an und setzte mich in den leeren Wartebereich vor dem Saal. Um 11:15 Uhr kam dann der Zeuge vor mir aus dem Saal, meinte »Da drin wird ganz schön versucht zu zermürben« und dann kam auch schon die Lautsprecherdurchsage, dass der Zeuge Lang jetzt in den Saal soll.

Saal 571 ist deutlich größer als der, in dem der letzte Prozess stattfand. Der Besucher_innenbereich besteht aus festen Holzbänken und ist durch ein Geländer von den eigentlichen Prozessbeteiligten getrennt. Am 1. Prozesstag ging es hier vermutlich hoch her, heute saßen dort lediglich drei Personen, zwei davon würde ich als Polizisten einordnen. Bei der Betrachtung der Prozessbeteiligten ist der Umstand wichtig, dass es sich um einen Strafprozess handelt. Vermutet, ermittelt und bestraft wird also ein Verstoß gegen eine Rechtsnorm, oder anders gesagt: Das Opfer, um das es in diesem Prozess geht, ist das Recht, nicht der Radfahrer.

Darum sind die beteiligten Parteien in erster Linie der Staatsanwalt und die beiden Beschuldigten mit je einem Anwalt. Der Radfahrer und sein Anwalt, Eisenberg, sind dennoch Prozessparteien und sitzen neben dem Staatsanwalt, weil sie Nebenklage eingereicht haben. Diese Option besteht für Opfer einer Straftat im Strafprozess; dadurch gibt es Akteneinsicht, und die Möglichkeit, im Prozess zu sitzen und mitzuwirken, also bspw. Fragen zu stellen und Beweisanträge zu stellen. Zuletzt führt den Prozess eine Richterin, und eine weitere Person spielte vermutlich Saaldienerin, Protokollantin, und was sonst noch so nötig ist.

Meine Zeugenaussage beginnt damit, dass ich über die Konsequenzen von Falschaussagen belehrt werde, meine Personalien geprüft werden und ich zuletzt gefragt werde, ob ich mit Nebenkläger oder Angeklagten verwandt oder verschwägert bin. Danach, und das ist wohl verpflichtend, werde ich von der Richterin gebeten, „den Sachverhalt“ darzulegen. Hier soll ich also, ohne auf konkrete Fragen zu antworten, meine Beobachtungen des gesamten Vorgangs mit meiner Gewichtung und in von mir gewählter Zusammenstellung darlegen. Das ist – wenn alles gut geht – so der furchtbarste Moment, und die Richterin wollte mir auch auf Nachfrage keine konkreten Fragen stellen, damit ich besser einen Anfang finde. So musste ich mir also überlegen, ab wo ich meine Darstellung beginne, und ob ich nicht doch wichtige Sachen vergesse, was aber gar nicht schlimm gewesen wäre, entsprechende Fragen würden schon kommen.

Danach stellte die Richterin einige konkrete Fragen – was ich von der eigentlichen Festnahme des Radfahrers mitbekommen hätte (nichts), ob das Polizeifahrzeug, in dem die erste Festgenommene saß, zum Zeitpunkt der Festnahme schon weggefahren war (ich bin mir relativ sicher, dass ja, meine aber ebenfalls, dass ich bisher immer das Gegenteil ausgesagt habe), was zwischen den beiden Festnahmen geschah, usw. Schon bei den Fragen der Richterin konnten sich die drei Anwälte nicht zusammenreißen und zankten sich gerne mal untereinander oder mit der Richterin. Nach ihren Fragen war Eisenberg, also der Anwalt der Nebenklage dran, der mir drei Fragen stellte, bei denen ich mich wirklich wunderte, wie sie in seine Prozessstrategie passen sollen, dann der eigentliche Betroffene, der mich fragte, was mich damals bewogen hatte, meine Gegendarstellung zur Polizeipressemitteilung zu veröffentlichen. Ich antwortete ihm daraufhin, dass ich die Pressemitteilung nicht vor mir hätte, ich aber vermute, dass mich die Behauptung, er hätte Widerstand geleistet, besonders geärgert hätte.

Es folgte der Staatsanwalt – keine weiteren Fragen – und dann nacheinander die Anwälte der Beschuldigten. Der erste war pikanterweise auch der Anwalt, der im ersten Prozess den Polizisten verteidigt hat. Er stellte halbwegs ätzende Nachfragen, die sich meistens zu einem Streit zwischen ihm und Eisenberg entwickelten, den die Richterin einmal mit der Drohung beendete, sie könne die Sitzung ja auch mal unterbrechen damit die beiden ihre Differenzen draußen austragen könnten. Es ging dabei auch im wesentlichen um den Fall aus dem ersten Prozess, also den Schlag gegen mich, den der Anwalt konsequent als „Schubs“ bezeichnete – wie schon im ersten Prozess, und ungeachtet des Ausgangs ebenjenes Prozesses. Eisenberg führte beispielsweise aus, dass es bei dem an mich gerichteten „Hau ab!“ ja wohl um eine Beleidigung handeln würde, zumal ich ja das Recht hätte, gesiezt zu werden, woraufhin der Anwalt des Polizisten meinte, Eisenberg würde sich mit Beleidigungen ja auskennen, woraufhin dieser meinte, er hätte noch nie beleidigt, jedenfalls wäre er noch nie für eine Beleidigung verurteilt worden. Nur zur Erinnerung, das „Hau ab“ und der Schlag kamen von einer Person, die gar nicht anwesend war, fanden auch nur am Rande der Situation statt, die hier Thema war, und waren auch schon in einem eigenen Prozess geregelt. Soviel nur, um einen Eindruck von der Stimmung dort zu vermitteln.

Der zweite Anwalt hatte auch einige wenige Fragen, die letzte war jene, was denn der antikapitalistische Block sei, worauf ich ihm antwortete, dass ich seine Frage nicht verstehen würde. Daraufhin meinte Eisenberg, gegen Kapitalismus zu sein wäre ja erstmal nicht verboten und selbst der Finanzminister würde irgendwelchen Kram wollen etc. Parallel monologisierte der Anwalt des zweiten Polizisten ähnlich erregt über einen schwarzen Block und dass ja wohl nicht nur von „gewaltbereiter Polizei“ gesprochen werden könne, aber er würde die Frage zurückziehen. Zuletzt hätten die Angeklagten Fragen an mich richten können, was sie nicht taten. Die Richterin ließ mich daraufhin unvereidigt (Standard, Falschaussagen kommen billiger als unter Eid) gehen. Ich fragte dann noch, ob ich mich hinten in den Besucher_innenbereich setzen könne, worauf die Richterin meinte dass schon, sie aber jetzt erstmal eine Viertelstunde Pause bräuchte, was ich gut verstehen konnte.

Die gesamte Aussage hat eine halbe Stunde gedauert, war also recht erträglich. Allgemein habe ich auf einige Fragen geantwortet, dass ich mich nicht mehr erinnern könne (was die Richterin mit einem freundlichen „das ist ja auch eine gute Antwort“ abnickte), oder meine bisher zu Protokoll gegebenen Aussagen das besser wüssten, oder das Video es besser wüsste – eine solche Antwort ist in den meisten Fällen und nach 2,5 Jahren völlig ok. Auffällig fand ich, dass die beiden Anwälte der Polizisten mit Notebooks da saßen, während Eisenberg einfach nur einen großen Stapel Papier vor sich ausgebreitet hatte und immer sehr gut Bescheid wusste über die Unterlagen und sogar den gegnerischen Anwälten zuwarf, welches Blatt sie gerade meinen, wenn sie mal wieder mit ihrer Akte nicht klarkamen.

Vor dem Saal pöbelten sich dann Eisenberg und die anderen Anwälte noch so ein bisschen weiter an. Außerdem traf ich drei weitere Zeug_innen, die auf ihre Aussagen am heutigen Tag warteten. Danach musste ich leider weg, aber ich habe gehört, dass später noch einer der Polizeianwälte drohte, einen Befangenheitsantrag gegen die Richterin zu stellen.

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