Bella Ciao?

Seit April 2008 regiert Berlusconi mit einem rechten Parteienbündnis nach zweijähriger Pause wieder Italien. Einige Geschehnisse aus dem letzten halben Jahr.

Der römische Gruß (ital./lat.:„Saluto romano“) wird seit 1919 von italienischen Faschisten verwendet. Benito Mussolini integrierte die Geste als zentrales Element in seine Symbolik. Gerne wird sich dabei auf das Römische Reich bezogen; der Gruß lässt sich allerdings nicht in der Antike nachweisen und stammt vermutlich aus alten Historienfilmen (Quelle). Ab 1952 war der Gruß in Italien verboten, 1993 wurde das Verbot aufgelockert; die Verwendung ist nur noch im Zusammenhang mit einer „Wiederbelebung der faschistischen Partei“ strafbar. Als „Gruß an sein Volk“ wurde das Symbol bsw. 2005 offen vom Fußballer Paolo Di Canio von Lazio Rom verwendet (Birgit Schönau: „Gruß an sein Volk“). Damals protestierte die Stadtverwaltung Roms noch – als im April 2008 Gianni Alemanno die Wahl als Bürgermeister der Stadt gewann, gingen ganz ähnliche Bilder seiner Anhänger um die Welt.

Dem neuen Stadtoberhaupt Roms ist ein Thema eine besondere Herzensangelegenheit: Kriminalität. Oder viel mehr die angebliche Bekämpfung selbiger. Dabei kommt zur Zeit das erprobte Konzept der Ausgrenzung bestimmter Gruppen besonders gut bei der italienischen Bevölkerung an; Im Fokus der rechten Politiker stehen dabei Sinti und Roma und Migranten. So setzt sich Alemanno für die Abschiebung von 20.000 Flüchtlingen und die Auflösung der Sinti- und Roma-Siedlungen um Rom ein (New Statesman: „Far right on the march“).

In die selbe Bresche schlägt Berlusconis Landesregierung, wenn sie die rund 150.000 im Land lebenden Sinti und Roma katalogisiert und ihre Fingerabdrücke erfasst. Dabei werden offen durch die Verfassung garantierte Rechte eingeschränkt. Mit einer knappen Hälfte der Abgeordneten rang sich das Europäische Parlament am 10. Juli zu einer Verurteilung dieser Menschenrechtsverstöße durch; geschehen ist nichts. Später im selben Monat verkündete Berlusconi den Notstand über Italien, um stärker gegen Immigration vorgehen zu können. Im August beteiligte sich die Armee an der organisierten Jagd nach „Illegalen“. In diesem politischen Klima haben außerparteiliche rechte Organisationen freie Hand, wenn sie Roma-Siedlungen angreifen und niederbrennen, afrikanische Migranten ermorden und auf offener Straße überfallen (Tim Dobson: „Italy: Massive protests as racist offensive launched“).

Ein weiteres Paradeprojekt der italienischen Rechten stammt von einer der vier Ministerinnen in Berlusconis Regierung. Die von der Bildungsministerin Mariastella Gelmini angestoßene Reform des Bildungswesens in Form des Gesetzes 133/2008 führt jedoch zu unerwartet heftigen Protesten von Schülern und Studenten. Das Ende Oktober verabschiedete Gesetz sieht eine massive Kürzung der Ausgaben im Bildungssystem durch Entlassungen, Schulschließungen im ländlichen Bereich und (Teil-)Privatisierungen der Hochschulen vor. Seit Mitte Oktober gab es Demonstrationen mit 10.000en Teilnehmern, Hunderte Schulen und Universitäten wurden besetzt („La vostra crisi non la paghiamo noi“ und „Italien: die fröhliche Revolte“ auf Indymedia). Am 29. Oktober kam es während einer Demonstration zu einer heftigen Straßenschlacht mit rechten Studenten. („Massenproteste und Nazi-Riots in Italien“ auf Indymedia). Curzio Maltese von „La Repubblica“ schrieb zum Verhalten der italienischen Polizei, die gerade 20 bewaffnete rechte Studenten passieren ließ: „Ich werde mir bewusst, dass ich keinen Schlagstock bei mir habe und damit verdächtig bin“ (Siehe Übersetzung des Originalartikels im Indymedia-Kommentar „Die Unseren“).

Leider schweigt die europäische Presse ebenso wie europäische Politiker; mag die Schulreform noch als innenpolitisches Problem abgetan werden können, so darf die staatliche Fremdenfeindlichkeit in einer Europäischen Union, die immer stärker zusammenwachsen möchte, nicht verschwiegen werden.

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