Freiräume in Berlin!

Der Demonstrationszug vor dem U-Bahnhof Warschauer Straße

Am Samstag fand in Kreuzberg und Friedrichshain eine Demonstration unter dem Motto „United we stay“ statt. Dem Aufruf der Kampagne „Wir bleiben alle“ folgten je nach Quelle 2500 bis 5000 Demonstrationsteilnehmer. Anliegen der Demonstration war es, auf die fortschreitende Gentrifizierung, also Aufwertung und Verdrängung, hauptsächlich in Kreuzberg und Friedrichshain aufmerksam zu machen. Insbesondere die wenigen verbliebenen alternativen Wohn- und Kulturprojekte sind bedroht.

Demonstrationsteilnehmer auf der Warschauer Brücke

Der große und bunte Demonstrationszug gelangte ohne große Komplikationen vom U-Bahnhof Hermannplatz durch Kreuzberg 36 über die Oberbaum- und Warschauer Brücke nach Friedrichshain. Insbesondere das CarLoft, an dem die ursprüngliche, abgelehnte Route vorbeiführte, und die O2 Arena waren komplett durch Polizisten und Einsatzfahrzeuge abgesperrt. Auch andere Einrichtungen wie der Subways in der Schlesischen Straße wurden besonders geschützt, insgesamt zeigte die Polizei starke Präsenz. In der Ohlauer Straße schwenkten einige Personen eine Rote Fahne von einem Hausdach und schossen Leuchtmunition in die Luft; auch anderenorts waren solidarische Fahnen, Transparente und Grüße zu sehen.

Die Demonstration machte insbesondere auf die akut bedrohten Hausprojekte in der Rigaer, der Reichenberger und der Brunnenstraße sowie den Wagenplatz „Laster und Hänger“ aufmerksam. Ebenso wie die zur Zeit nicht mehr bedrohte Köpi und der Schwarze Kanal verhindern diese Projekte eine kommerzielle Verwertung der mittlerweile lukrativen Grundstücke und Häuser und sind wichtige Stützpfeiler einer alternativen Kultur, die in einem aufgewerteten Friedrichshain-Kreuzberg keinen Platz haben soll. Ebenfalls keinen Platz haben Menschen, die die rasant steigenden Mieten nicht bezahlen können; in Kreuzberg zahlen Haushalte im Durchschnitt 35 Prozent des Nettoeinkommens für Miete und Betriebskosten (Christian Linde: „Soziale Entmischung – Berliner Senat steht mit seiner Wohnungspolitik vor Scherbenhaufen: In Innenstadtbezirken ziehen Mietpreise an“).

Feuershow & Rote Fahne beim Kulturprojekt Cassiopeia

Direkt hinter dem S-Bahnhof Warschauer Straße führte die Demonstrationsstrecke an den alternativen Kulturprojekten „RAW Tempel“ und „Cassiopeia“ vorbei. Vom Dach des Eckgebäudes Simon-Dach-Straße / Revaler Straße wurde ein weiteres Transparent entrollt, ein weiteres Mal wurde Leuchtmunition in die Luft geschossen. Laut verbreiteten Darstellungen drang daraufhin eine Gruppe Polizeibeamten in das Gebäude ein um die Personen auf dem Dach festzunehmen. Weder ihr Einsatzwagen noch der Hauseingang waren geschützt; der Einsatzwagen musste daraufhin vor aufgebrachten Demonstranten fliehen, die Beamten verließen das Haus unverrichteter Dinge. Gut 50 Beamten kamen ihren Kollegen zu Hilfe und nahmen einige Demonstranten fest.

Ein beschädigter Streifenwagen am Frankfurter Tor

Zu diesem Zeitpunkt spalteten sich einige hundert Demonstranten vom Rest der Demonstration ab und zogen schnell in Richtung Frankfurter Tor, zum Thor-Steinar-Laden „Tromsø“. Auf dem Weg wurde erstaunlich zielgerichtet eine größere Anzahl teurer Autos schwer beschädigt. Einem weiteren Fehler der Polizeileitung ist es zuzuschreiben, dass die Gruppe bis zum Frankfurter Tor nicht einem der 900 eingesetzten Beamten begegnete, bevor sie auf einen einzelnen Streifenwagen traf. Dieser wurde umgeworfen und ebenso wie der McDonalds am Frankfurter Tor entglast. Erst vor Tromsø stoppte der Zug angesichts der anwesenden Polizisten und zerstreute sich. Der Umstand, dass während der gesamten Demonstration lediglich zwölf Personen festgenommen wurden macht deutlich wie schlecht die Polizei die Situation unter Kontrolle hatte.

Ich sehe die Demonstration als sehr positives Signal an. Viele verschiedene Menschen haben ihre Solidarität mit den verbliebenen Projekten demonstriert und deutlich gemacht, dass sie auch bereit sind für ihren Erhalt zu kämpfen. Ein Ereignis dieses Samstags stimmt jedoch traurig: Eine Person, vermutlich ein Demonstrationsteilnehmer, wurde am Frankfurter Tor schwer am Kopf verletzt und musste im Krankenhaus behandelt werden. Zeugen behaupten, er wäre von Polizisten zu Boden geschleudert worden. Die Pressemeldung der Polizei spricht von einer „ungeklärten Ursache“, behauptet aber ebenso wie die Zeugen dass erst Passanten den Notarzt riefen. Da sich auf dem Platz zu dieser Zeit einige hundert Polizeibeamten befanden ist allein dieser Umstand schon fragwürdig.

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