No pasaron

Am Samstag wurde die größte Nazidemonstration Europas durch Blockaden verhindert. Trotz dieses Erfolgs muss einige Kritik geübt werden.

Das Bündnis „Dresden Nazifrei“ verfolgte mit ihrem Aufruf zum 13. Februar zwei Ziele: Das erste und wichtigste Ziel war es, Europas größte Nazidemonstration zu verhindern. Damit sollte nicht nur ganz praktischer antifaschistischer (Selbst-)Schutz umgesetzt, sondern vor allem der 13. Februar in Dresden als positives Ereignis für die europäischen Nazis gebrochen werden. Gleichzeitig sollte ein Bezugspunkt für eine linke Bewegung entstehen. Als zweites, nachrangiges Ziel galt die Kritik am Gedenken und der damit einhergehenden Relativierung der Verbrechen des Nationalsozialismus ebenso wie die demonstrative Ablehnung rassistischer und fremdenfeindlicher Aspekte Deutschlands. Leider zeigte sich bereits am Samstag, dass das Konzept der friedlichen Massenblockaden nur teilweise zur Realisierung dieser Ziele einsetzbar ist.

Schon die Verhinderung der Nazidemonstration durch massenhaften zivilen Ungehorsam ist ein Mythos. Von Anfang an behinderten militante Antifas durch Schienenblockaden und Angriffe auf Nazibusse die Anreise der Nazis. Nur so konnte verhindert werden, dass sich bereits frühzeitig eine handlungsfähige Menge von Nazis beim Neustädter Bahnhof versammelten. Das Entstehen großer Nazigruppen zu verhindern war für die Verhinderung einer gemeinsamen, großen Demonstration äußerst wichtig, wie sich später zeigte. Tatsächlich zogen den Tag über mehrere über 1000 Nazis große Gruppen durch die Stadt, und auch die bald 3500 Nazis am Neustädter Bahnhof wurden von der Polizei erst nach einigen 100 Metern gestoppt. Auch der letzte Versuch der mittlerweile über 5000 Nazis, durch Dresden zu ziehen, wurde durch die Polizei gestoppt, als militante Antifas brennende Blockaden errichteten.

Sicher haben die beiden großen friedlichen Blockaden den Handlungsrahmen für die Nazis deutlich reduziert und wären vermutlich in keinem Fall geräumt worden. Andere, wesentlich kleinere Blockaden konnten jedoch nach Naziangriffen und polizeilichen Räumungen mit Wasserwerfereinsatz nicht gehalten werden und boten ausreichend Spielraum für Nazidemonstrationen. Selbst die großen Blockaden stellten jedoch nie einen Schutz gegen Polizeiübergriffe dar; während Nazis wenige Kilometer entfernt das AZ Conni mehrmals überfielen und einen Antifaschisten krankenhausreif schlugen, zogen unterbeschäftigte Mitglieder einer Schleswig-Holsteinischen BFE-Gruppe einzelne Antifas aus den Blockaden. Auch später konnte die Polizei problemlos im direkten Umfeld der Blockaden agieren. Andersherum wurde auch der Aktionskonsens nur eingeschränkt respektiert: insbesondere in den ersten Stunden gab es aus den Blockaden Übergriffe auf die Polizei, die bei anderen Kräfteverhältnissen jederzeit als Vorwand für eine Räumung herangezogen worden wären. Hier müssen sich viele Antifas Fragen nach ihrer Zielstrebigkeit und ihrem Respekt gegenüber anderen Mitstreiter_innen gefallen lassen.

Deutlich scheiterte das Blockadekonzept mit dem Versuch, einen Schutz vor Nazis darzustellen. Frei in Dresden, Pirna, Leipzig und Gera herumziehende Gruppen von hunderten bis tausenden Nazis konnten nach Belieben linke Personen und Einrichtungen überfallen. So wurde noch am selben Tag deutlich, dass Nazis zu blockieren nicht nur weder Rassismus noch Antisemitismus oder Fremdenfeindlichkeit aus der Welt schafft, sondern auch das Problem der Nazis selbst nicht behebt. Ganz im Gegenteil sorgten erst die Blockaden zu der Vielzahl kleinerer Nazigruppen, die eine solch heftige Bedrohung an diesem Tag darstellten.

Der größte Erfolg, der in Dresden errungen wurde, war es, den anti-antifaschistischen Konsens in der Stadt zu brechen und den europäischen Nazis ihr wichtigstes Großereignis medial und emotional zu zerstören. Die Bedeutung dieses Erfolgs kann angesichts der reellen Bedrohlichkeit einer solchen Masse an Nazis und der heftigen Repression gegen die sehr gemäßigte Mobilisierungskampagne im Vorfeld nicht kleingeredet werden. Ob jedoch eine linke Bewegung im Gegenzug aus diesem Erfolg Profit ziehen und inhaltliche wie praktische Lücken schließen kann, wird sich erst in den nächsten Monaten und Jahren zeigen.

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5 Antworten auf „No pasaron“

  1. Gerade die Medienberichterstattung („Die Menschenkette stoppte die Nazis“) zeigt leider, dass ein zu großes Zugehen auf das bürgerliche Lager auch große Nachteile hat; nämlich, dass sie für sich das Aufhalten des Naziaufmarschs beanspruchen. Auch Kritik am Gedenken überhaupt ist komplett untergegangen – die antideutsche Kritik hatte hier recht.
    Nur wie kann man beides schaffen? Die Nazis stoppen und Kritik am Gedenken üben? Geht ersteres ohne das bürgerliche Lager?

  2. „Deutlich scheiterte das Blockadekonzept mit dem Versuch, einen Schutz vor Nazis darzustellen. Frei in Dresden, Pirna, Leipzig und Gera herumziehende Gruppen von hunderten bis tausenden Nazis konnten nach Belieben linke Personen und Einrichtungen überfallen. So wurde noch am selben Tag deutlich, dass Nazis zu blockieren nicht nur weder Rassismus noch Antisemitismus oder Fremdenfeindlichkeit aus der Welt schafft, sondern auch das Problem der Nazis selbst nicht behebt“.

    Ich glaube, dass das auch nie jemand behauptet hat. Außerdem war es ja schlech zu verhindern, dass die Nazis in anderen Städten Amok liefen. An dieser Stelle hat für mich eindeutig die Polizei wieder einmal versagt, denn diese sollte uns eigentlich vor wilden Horden von gegen das Gesetz verstoßenden Radikalen beschützen. Komischerweise ist der Staatsdienst aber besser darin Banken und Fast-Food-Ketten zu beschützen an Stelle von engagierten Bürgern.

    Allgemein würde ich gerne noch sagen, dass ich denke, dass du von der Blockade allgemein zu viel erwartet hast. Wie sollen denn auf einer Blockade inhaltliche und theoretische Probleme der Linken gelöst werden?

    1. Die Organisator_innen der Blockade haben an sich selbst den Anspruch gestellt, alleine dadurch, dass sie andere dazu aufgefordert haben, alternativen Aktionsformen nicht nachzugehen, Aktionsformen, die möglicherweise einen besseren Selbstschutz dargestellt hätten oder eher geeignet gewesen wären, eigene inhaltliche Akzente zu setzen.

      Ich würde auch nicht sagen, dass ich zu viel von den Blockaden erwarte; ich sehe nur einen Bedarf, sich auch um diese anderen Punkte zu kümmern. Daher muss es Diskussionen geben, wie das stattfinden kann, ob im Rahmen der Blockaden oder mit anderen Aktionen.

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