Sprache und Geschlecht

Nach dem Fefiasko vor einiger Zeit (1, 2) möchte ich ein paar Worte zu Gender_gap, Binnen-I und Freund_innen verlieren und teilweise auf Sprüche reagieren, die da so kamen.

Der Gender_gap beseitigt herrschenden Sexismus nicht – er ist keine Lösung des Problems, er ist ein Kampfmittel. Naziaufkleber abknibbeln beseitigt auch nicht den Faschismus auf der Welt, und trotzdem mache ich es. Nein, das Binnen-I ist nicht der Kommunismus, genau wie Free-Mumia-Plakate nicht der Kommunismus sind. »Freiheit statt Angst« ist keine Lösung, aber nicht »Freiheit statt Angst« ist erst recht keine Lösung. Ich stelle mir das so vor wie auf Vorstandsetagen paritätisch viele Frauenklos zu bauen. Das holt nicht plötzlich 50% Frauen in die Vorstände, aber es macht wieder einmal sichtbar wie ungleich die Verteilung ist und es ist ein cooles Signal für die Frauen in den Vorständen.

Ziel der Veranstaltung ist es nicht, Sprache zu korrigieren, zu neutralisieren, zu glätten. Ganz im Gegenteil: Es wird davon ausgegangen, dass Sprache eben nicht neutral ist, sondern ein Ausdruck von gesellschaftlichen Machtverhältnissen – warum also hier nicht intervenieren? Deswegen sind Bügelbrettbegriffe wie »Studierende« auch keine Lösung – es wird ja gar keine Lösung gesucht.

Das ist doch hässlich / falsch

1. Bullshit. Sprache und ästhetisches Empfinden ändern sich: Wir entscheiden, wohin. Das Binnen-I ist genauso falsch wie das Kopieren urheberrechtlich geschützter Werke. Der Gender_gap ist genau so hässlich wie Vierteltöne aus der türkischen Musik in einer Mozart-Sonate. 2. Bullshit: Das ist nicht dein Anliegen. Wo sind die kübelweise Kommentare unter jedem Netzpolitik.org-Post, in dem mal wieder Grammatik mit nem Sandkasten verwechselt wurde? Wenn euch die aktuell »gültige« Regelung der deutschen Sprache so wichtig ist, warum meldet ihr dann keine Rechtschreibfehler in meinen Blogposts? Wo wart ihr denn die letzten Jahre alle, wo seid ihr bei all den anderen Grammatiklegasthenikern?

Ihr habt Sprache nicht verstanden, Genus != Sexus, etc

Bullshit. Es geht nicht darum, Sprache zu korrigieren. Wir schreiben nicht »Metzger_innen«, weil »Metzger« ein Substantiv mit männlichem grammatikalischem Geschlecht ist, sondern weil die meisten Menschen bei »Metzger« eine männliche Person denken, weil »weiß, männlich« ohnehin der Default ist, weil nichtmännliche Metzger_innen sich nicht über zu viel Sichtbarkeit beklagen können.

Warum schreibst du dann nicht »Mensch_innen«?

Gute Frage. Weil ich nicht konsequent bin? Bisher scheinen sich Binnen-I bzw. Gender_gap nur bei Begriffen, deren weibliche Form bereits gebräuchlich ist, durchgesetzt zu haben.

Warum schreibst du dann nicht »nicht_weiße Metzger_innen« um nicht-weiße Menschen ebenfalls besonders sichtbar zu machen?

Wäre vermutlich eine gute Sache. Zuerst dachte ich, das Sichtbarmachen nichtweißer Metzger_innen wäre zwar nötig, aber wenigstens gäbe es keine eigene Begrifflichkeit für sie, so wie es »Metzgerin« gibt; stimmt aber nicht. Solche Leute heißen nicht »Mann«, »Frau«, »Angestellte«, »Junge«, sondern »Türke«, »türkischer Softwareentwickler«, »Migrantin«, »ein südländisch aussehender Jugendlicher«, »der schwarze Thomas M. (43)«. Auch hier wird klar gemacht: Es gibt einen Standard, und was davon abweicht, muss besonders bezeichnet werden und wirkt identitär. Noch ein Beispiel gefällig? Es geht um einen Prinzen, der einen Diener angeblich in einem sexuellen Kontext umgebracht hat: »Der homosexuelle Prinz bestreitet die Tat.« – da würde mit Sicherheit nicht »Der heterosexuelle Prinz« stehen, selbst, wenn er seine Dienerin aus einer sexuellen Situation heraus getötet hätte.

Generisches Maskulinum ist aber doch prima und schließt alle mit ein

1. Jein. Eine Ärztin mag ein »Arzt« sein, aber ein »Arzt« ist ohne weitere Qualifizierung ein Arzt. Und jetzt erzähl nicht bei dir ist das anders und du bist so unsexistisch wie es nur geht, Menschen haben bei dir nie nen Geschlecht: Zwei Kommentare drunter schreibt einer was von »Frauen an den Herd«. Das ist die gesellschaftliche Realität, das ist der Kontext in dem du dich mit so Behauptungen bewegst. 2. Selbst wenn es so wäre, und ich glaube es kann in einer sexistischen Gesellschaft nicht so sein, wäre der Gender_gap immer noch ein gutes Mittel um zu irritieren und Sichtbarkeit zu erhöhen.

Binnen-I ist positive Diskriminierung und damit »keinen Deut besser«

Genau, setzen wir uns einfach hin, legen die Hände in den Schoß und warten, bis das mit dem Sexismus einfach … ja was eigentlich? Aufhört? Abgeschafft wird? Verboten wird? Was ist denn ›korrektes‹ Vorgehen gegen Sexismus?

»Ein ›Täter_innen‹ kommt nie vor«

1. Das Wort »Täter« kommt in den Texten drei Mal vor, einmal »Täter_innen«, einmal »Einzeltäter« und einmal in einem Zitat. Ich hab vielleicht nicht konsequent Gender_gaps verwendet, aber auch nicht konsequent negativ bewertete Personengruppen männlich gelassen. 2. Ist das so eine typische Abwehrstruktur Privilegierter. Ihr wollt mehr als 5% in den Vorständen? Dann müsst ihr aber auch die Hälfte im Wehrdienst nehmen, wär ja sonst ungerecht!

Was ist mit »Hebamme«, »Krankenschwester«, »Hure« oder »Putzfrau«? Die Begriffe schließen männliche Personen mit dieser Tätigkeit aus!

Ok, ich gebe zu: Dieser Einwand kommt vermutlich von wenigen Kritiker_innen geschlechtssensibler Sprache, handelt es sich doch bei den genannten Berufen um vermutlich wenig angesehene, typisch »weibliche« Tätigkeiten. Es gibt jedoch geschlechtsneutrale Begriffe: »Entbindungspfleger« (in Österreich auch »Hebamme«), »Gesundheits- und Krankenpfleger«, »Prostituierter«, »Reinigungskraft«. Vermutlich müsste sich da eher schon Gedanken gemacht werden, ob solche Begriffe die geschlechterungleiche Verteilung der Reproduktionsarbeit nicht eher unsichtbar machen und daher zu kritisieren sind. Im Übrigen handelt es sich hier wieder um eine Privilegierten-Abwehrstruktur wie oben: Ihr wollt ein bisschen weniger Ungleichheit? Dann darf aber umgekehrt nicht der letzte Funken möglicher Benachteiligung übrig bleiben – Kontext spielt bei dem Argument keine Rolle.

Macht geschlechterneutrale Sprache nicht viele Geschlechterspezifiken unsichtbar? Es gibt eben weniger Soldatinnen als Soldaten, weniger Polizistinnen als Polizisten!

Falls wir irgendwann mal dahin kommen, dass eine Sprachform wirklich neutral Menschen aller gesellschaftlicher Kategorien gleichermaßen sichtbar macht und umfassend eingesetzt wird, können und sollten wir uns darüber Gedanken machen – solange die wenigsten überhaupt geschlechtersensible Sprache einsetzen, können sich männliche Polizisten und Soldaten nicht über zu wenig Sichtbarkeit beschweren – ich denke allerdings, dass vorher zwei andere Dinge passieren: 1. Die hegemoniale Form geschlechtersensibler Sprache wird als »neutral« gelesen und der Effekt der Sichtbarmachung nichtmännlicher Personen fällt weg – die Menschen gewöhnen sich an Binnen-I oder Gender_gap und lesen weiterhin männlich-weiß-heterosexuelles Default (wie bspw. schon bei hegemonial werdenden Formulierungen – »Informatiker/in« – zu beobachten) – oder 2. Die Ungleichheiten selbst verschwinden.

Immer noch nicht überzeugt?

Kein Problem. Habt eine mehr oder weniger begründete Position, warum ihr schön weiter generisches Maskulinum schreibt – es werden keine Horden von Feminist_innen bei euch einfallen und unter jeden eurer Blogposts Kommentarhaufen setzen. Sofern ihr euch nicht gerade in linksradikalen, tendenziell profeministischen Kreisen herumtreibt, werdet ihr wohl nie in die Verlegenheit kommen, euch zu rechtfertigen. Ihr könnt das gerne mal mit den bisher 54 Kommentaren (1, 2) unter meinen beiden Blogposts vergleichen.

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93 Antworten auf „Sprache und Geschlecht“

  1. Bin sehr dankbar für diesen text. wenn mich mal wieder jemand nervt verlink ich das einfach und muss mir nicht mehr den mund fusslig reden. außerdem wiederhol ich gerne mein argument zur behauptung „liest sich schwer“:

    ich finde texte, in denen kein _innen vorkommt sehr schwer und unangenehm zu lesen, weil ich es mir dann immer dazudenken muss. Das fehlende _innen unterbricht so massiv den Lesefluß.

  2. Also hässlich finde ich das trotzdem. Es reißt nicht nur den Text auseinander, sondern gleich das Wort. Und „Irgendwann gewöhnt man sich dran, und findet es toll“ finde ich auch ein merkwürdiges Argument gegen subjektiv empfundene Hässlichkeit.
    Aber vielleicht bin ich da konservativ. Wenn du den Unterstrich benutzen willst, dann mach das, damit habe ich keine Probleme, auch wenn das mit meinem persönlichen Empfinden von Lesbarkeit oft nicht besonders gut vereinbar ist. Aber das ist ja schließlich nicht dein Problem.
    Alternativlösungen hab ich da leider auch nicht, man könnte ja alle Nomen sächlich machen, aber auch das würde echt beknackt klingen, und nicht gerade zur Eindeutigkeit der Sprache beitragen.
    „Pilotinnen und Piloten“ oder „Piloten beiderlei Geschlechts“ halte ich noch für die am wenigsten störende Lösung, die allerdings auch nicht perfekt ist.

    Eventuell könnte man einen neuen Genus erfinden, der speziell für die Bezeichnungen von Personengruppen gedacht ist. Dann könnte der Rest der Sprache so bleiben, man müsste sich nicht mit Unterstrichen oder Binnen-Is herumschlagen, und keiner könnte mehr meckern.
    Das allerdings wäre ein viel größerer Eingriff in die Sprache, als es Unterstrich und Binnen-I je wären.

  3. @ Heiko C.

    Pilotinnen und Piloten – das ist in der Tat eine brauchbare Formulierung, die manch einem das Lesen vielleicht einfacher macht.

    Aber mit dem neuen Genus für Personengruppen… Adrian hat ja sehr schön beschrieben, dass es nicht nur darum geht, bestimmte Personen nicht auszuschließen, sondern darum, alle Teile der Gruppe sichtbar zu machen.
    Wenn ich „Studierende“ schreibe, ist das geschlechtsneutral und fasst theoretisch alle mit ein. Aber wenn wir ganz ehrlich sind, werden die meisten dabei an weiße, 20 bis 30-jährige Männer denken. Auch wenn es mindestens genauso viele Studentinnen gibt.
    Wenn du hingegen Student_innen oder auch Studentinnen und Studenten sagst, ist automatisch ein Bewusstsein zumindest dafür geschaffen, dass es sich nicht nur um Männer handelt. Dass mensch dann immer noch in der Kategorie „weiß, jung, ‚gesund'“ denkt, ist ein Problem, das Adrian auch schon angesprochen hat und das es dann weiter zu bearbeiten gilt.

    1. @Rike
      Der neue Genus für Personengruppen – ich nenne ihn einfach mal „Oktroninum“ – wäre ja eben dann genau die einzig geschlechtsneutrale Lösung.
      Würde es statt „Der Bauer“ zum Beispiel „Dok Baurok“ heißen, wäre dabei impliziert, dass sowohl der Artikel als auch die Endung sich auf alle Menschen beziehen, die den Beruf dös Landwirtoks ausüben.
      Problematisch ist hier eben nur, dass mok nicht einfach neue Geni erfinden und in Sprachen einbauen kann. Wenn mok es doch tut, klingt das Ergebnis mindestens eine Generation lang unglaublich beknackt; länger sogar, wenn sich dök Leutoks dagegen sträuben, die neue Version zu verwenden. ;)

      Machen kann man es aber. Die Dänen haben sowas ähnliches. Da gibt es neben dem Neutrum noch das Utrum, ein Sprachgenus, in dem die männliche und weibliche Form zusammengefasst ist. Wenn ich mich nicht irre, ging das bei den Dänen auch aus Maskulinum und Femininum hervor. http://de.wikipedia.org/wiki/Utrum

  4. erstmal: ja, die deutsche sprache ist sexistisch.*
    und weibliche nachsilbe ist dabei eigentlich das geringere problem. ma könnte sie einfach komplett weglassen und eventuell das „-er“ z.b. durch ein „-a“ ersetzen, um die männliche konnotation abzumildern, die auf dauer verschwinden würde.

    ein viel größeres problem sind die promomen und und der genze quatsch: es ist nicht nur erforderlich das geschlecht eines dings zu wissen um darüber zu reden, ma muss auchnoch den ganzen linguistischen deutschen aberglauben einprägen um gegenständen das korrekte geschlecht zu geben…

    diese allerdings wegzulassen würde das sprechen auch erschweren: „mein hund hat eine katze gesehen, ich gehe ihn jetzt baden“ währe nicht mehr eindeutig.
    ‚wegwerf-pronomen‘ wie in lojban (ko’a bis fo’u) währen eine gute lösung, bräuchten allerdings auch ein erhebliches maß an linguisitischem enginneering und angewöhnungszeit.

    das gender_gap stellt (bei konsequenter anwendung) eine ineffiziente lösung für einen kleinen teil des problems dar… es ist meh.
    das binnen-i hingegen betont meistens das weibliche, rekonstruiert zweigeschlechtlichkeit und das schlimmste: benötigt großbuchstaben ;) . es suckt.

    dem feministischen mainstream scheint es hier aber garnicht um sexismus zu gehen:
    die benutzen sprachliche sexismen ohne reuhe und fußnoten. nicht unbedingt weil sie sie gutheißen, aber es stört sie offenbar kaum.

    stattdessen soll das geschlöecht ’sichtbar‘ gemacht werden. well, wtf.
    ohne ’sichtbarkeit‘ eines geschlechtes ist sexismus nicht möglich. das heist sicher nicht das sichtbarkeit sexismus rechtfertigen würde oder das es schlecht währe wenn individuen ihr geschlecht inszenieren, aber es macht mich skeptisch wie sichtbarmachung helfen soll.
    ich habe (obwohl ich mich früher mehr mit feminismus beschäftigt habe) noch nie irgendein argument dafür gehört.
    die argumente die ich mir ausdenken kann sind extrem vage, der wunsch geschlechter nicht über anderer leute kopf in den vordergrund zu rücken ist um einiges stärker…

    achja nochwas: eine ungleiche verteilung von tätigkeiten und zugehörigkeiten kann ein symptom vom sexismus, rassismus, klassismus, etatismus oder sonstwas sein.
    aber das heist nicht das eine gleichmässige verteilung aller befölkerungsgruppen über alle befölkerungsgruppen ein wichtiges ziel ist.
    auch aus einer freiwilligen und aufgeklärten interaktion kann ungleichheit entstehen… spezialisierung, divergenz das ist ok.
    es scheint mir als ob du das ein wenig aus den augen verlierst…

    *die spanische sprache noch mehr, btw. würde mich mal interessieren was die da für debatten führen…
    das englische ist ja zum glück ziemlich einfach zu entgendern.

    ps: ich hab das gefühl das ich einen ähnlichen kommentar schonmal in deinem blog hinterlassen hab, hab aber auf die schnelle nix gefunden…
    aber von meinen kommentaren kann ma eigentlich eh nie genug haben. ;D

  5. Typographisch gesehen ist der Unterstrich aber für ein schönes Schriftbild und einen gefälligen Lesefluss der Tod. Im Vergleich dazu ist das Binnen-I um Welten besser.

  6. Wie Ritinardo sagt: Jeder muss seinen eigenen Umgang mit Sprache finden. Ich persönlich (und ich bin überzeugte Feministin) finde die ganze Diskussion lächerlich, damit konterkariert sich der „moderne Feminismus“ selbst.

    Für mich sind Worte wie „Arzt“ eben neutral, und dass dabei viele an einen weißen, männlichen Arzt denken, liegt nicht an Sprachsensibilisierung, sondern daran, dass im Kopf drin Autoritätspersonen immer noch als männlich gesehen werden.

    Da kann Sprache nicht viel machen, da braucht es Überzeugung auf anderen Ebenen.

    Unglücklicherweise sind viele Feministinnen unglaublich verbohrt und ignorant, wenn es um dieses Thema geht. Wer nicht alle weißen, nicht-weißen, hetero-, homo-, bi- und transsexuellen Ärzte und Ärztinnen explizit einbezieht, ist gleich Stützpfeiler des Patriarchats.

    Vielleicht liegt’s daran, das ich aus dem Osten komme, aber diese Debatte geht für mich nicht nur am Thema vorbei, sondern ist auch reine Krümelkackerei.

    So. Deinen Text mag ich trotzdem. Endlich mal einer, der logisch argumentieren kann, und das auf sprachlich hoher Ebene :-)

  7. Ich stelle mir das so vor wie auf Vorstandsetagen paritätisch viele Frauenklos zu bauen.

    das ist voodoo.

    morjanne kann ich zu 100% zustimmen.

    diese riesendebatte um sprachliche petitessen maginalisiert den feminismus und gibt ihn der lächerlichkeit preis.

  8. hey adrian,

    toller text, vielen dank.

    dass der unterstrich den lesefluss stört und typografisch nicht so schön, ist einfach mal gewöhnungs- und ansichtssache. ich benutz den jetzt etwa ein jahr und wie gurkenkaiser schon meint, mich irritieren eher texte, die gar nicht gegendert sind.

    @morjanne

    ich finde, du übertreibst. engstirnige gibt es ja wohl überall. und anstatt hier wieder feminist_innen gegeneinander auszuspielen und die wirkung von sprache ein stück weit zu verharmlosen, kannst du dich auch damit zufrieden geben, dass nicht die mehrheitsgesellschaft permanent darüber befinden sollte, was sprachlich korrekt, angemessen und inklusiv ist (wie adrian ja bereits schreibt).

    was ist überhaupt moderner feminimus? nach deinen ausführungen lese ich eher diese definition heraus: bloß nicht anecken und auffallen, normanpassung durch die hintertür. not my feminism. überzeugung auf anderen ebenen: deine vorschläge? deine taten?

    hier geht es nun mal um sprache und wenn das sowieso nicht dein thema ist, frage ich mich gerade, warum du nur hier bist, um zu bekunden, wie sinnlos du dieses thema findest…

  9. … dass nicht die mehrheitsgesellschaft permanent darüber befinden sollte, was sprachlich korrekt …

    wir leben in einer demokratie und da entscheidet die mehrheit.

  10. Schöner Artikel. Ich war bisher auch gegen Binnen-I und ähnliche Lösungen. Trotzdem denke ich, dass Veränderung des Denken in erster Linie über Veränderung der Sprache gesteuert werden kann.

    Stimme aber auch sofias zu: Solche Sprachregelungen reproduzieren das Problem. Wenn ich zwischen Metzger und Metzgerin schon sprachlich unterscheide, bekomme ich auch den Eindruck, dass sie nicht dasselbe leisten. Die zwei können ihren Beruf exakt auf die selbe Weise ausüben, ob Mann oder Frau – wozu dann in der Sprache einen Unterschied machen…?

  11. Lieber adrian,

    ich habe dich in meine Blogliste als Weltverbesser aufgenommen. Auch dein Text hier beruhigt mich ungemein: Es geht also auch anders und es geht im Internet also auch anders, nämlich emanzipiert. Wunderbar, ich freue mich.

    Ich selbste gönne mir den Luxus, kleinlich zu sein: 10 Mediziner sind bei mir dann 2 Ärztinnen und 8 Ärzte. Soviel Zeit muß sein. Beim Binnen-I und anderen Formen der Geschlechternuetralisät befüchte ich Geschlechterneutralisierung und ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit. Das können wir uns noch nicht leisten. Ansonsten finde ich das generische Femininum provokant und interessant, bin aber mit mir nicht sehr streng. Oder zu ängstlich, wer weiß das schon?

    ;-)

    Liebe Grüße

    Isi

  12. ja, lantzschi, den kenn ich. aber ob nun mehrheit oder mehrheitsgesellschaft ist für die mehrheitliche sprachpraxis unbedeutend.

    übrigens hat das verändern des denkens mittels sprache in der geschichte noch nie in der angestrebten form geklappt.

    1. Dann lese doch mal bitte ausführlich die Lingua Tertii Imperii von Victor Klemperer, unterhalte dich mich deinen Großeltern über Propaganda und gib danach nochmal dasselbe Statement ab.
      Meine Güte, wo leben wir denn? Was ich nicht kenne, das gibt es nicht?

  13. „Sprache und ästhetisches Empfinden ändern sich: Wir entscheiden, wohin.“

    Ist Ästhetik ist nur eine Frage des Willens? Ist es letztlich völlig gleich, was wir ästhetisch finden, weil wir uns nur genug anstrengen müssen, um „das richtige“ ästhetisch zu finden?
    Sorry, aber das kann ich nicht gutheißen. Wenn man Sprache mag und wenn man mit Sprache arbeitet, wenn man im sprachlichen Ausdruck etwas künstlerisches sieht, dann sind die Assoziationen und Konnotationen der Wörter enorm wichtig. Jedenfalls denke ich so. Wenn ich nur noch neutrale Retortenwörter benutzen würde, dann könnte ich mich nicht mehr so ausdrücken wie ich will.
    Nehmen wir als Beispiel allein mal Studenten vs. Studierende. Ich will davon absehen, dass die Wörter eigentlich sowieso schon mal unterschiedliche Bedeutungen haben (Tätigkeit vs. Eigenschaft beschreibend), denn das ist mir im Grunde relativ egal: ich argumentiere hier explizit nicht aus der Grammatik-Nazi-Ecke. Aber in Studenten steckt so viel Assoziation und Klischee drin: faules Studentenpack, Elfenbeinturm, 68er, Studentenstreiks, Leute mit zu viel Freizeit, zukünftige Elite oder was weiß ich noch alles. Darauf möchte ich verdammt nochmal zurückgreifen können, wenn ich formuliere. Ich möchte nicht 20 Jahre warten, bis das Wort „Studierende“ vielleicht ebentuell mal ähnlich reich befrachtet ist wie „Studenten“. Nein, fickt Euch, das werde ich nicht tun!
    Sorry, aber mir geht es bei Sprache eben nicht nur darum, Dinge auszudrücken, sondern auch wie ich es tue. Natürlich ist mir klar, dass es hier gerade auch darum geht, Assoziationen und Konnotationen zu tilgen und das ist sicher manchmal auch gut. Aber ich betrachte Sprache eben auch als Kunst und ich denke nicht daran, diese ganzen Neutralwörter auf breiter Ebene einzusetzen. Die ganze Sprachtechnokratie kann mir mal gepflegt am Arsch lecken!

    1. Ich seh dich ganz mit mir auf einer Linie – Sprache ist nicht neutral in Wirkung und Intention. Gegen Worte wie „Studierende“ habe ich mich oben explizit positioniert: „Ziel der Veranstaltung ist es nicht, Sprache zu korrigieren, zu neutralisieren, zu glätten. Ganz im Gegenteil: Es wird davon ausgegangen, dass Sprache eben nicht neutral ist, sondern ein Ausdruck von gesellschaftlichen Machtverhältnissen – warum also hier nicht intervenieren? Deswegen sind Bügelbrettbegriffe wie »Studierende« auch keine Lösung – es wird ja gar keine Lösung gesucht.“

      Sprache ist ein Mittel. Ob du es dafür benutzt, an Bilder anzuknüpfen, oder wir, um mit Bildern zu brechen – ich seh da keinen großen Unterschied in der Bewertung von Sprache.

  14. wenn man „studenten“ durch „studierende“ werden die stereotype vom neuen begriff überneommen werden (falls das nicht schon geschehen ist). und wer beim wort „studenten“ eher männer vor seinem geistigen auge sah, wird das beim begriff „studierende“ auch tun.

    assoziationen und konnotationen tilgt man, indem die gesellschaftliche realität ändert. nicht anders herum.

  15. Als wir mal in einer Runde aus Frauen und Männern saßen, fragte eine der Frauen, warum von Frauen erwartet würde, dass sie sich die Axeln rasieren. Einer der Männer meinte daraufhin: weil es sonst scheiße aussieht.

    So witzig ich die Anekdote finde, ich weiß: das ist alles nicht unpolitisch. Nix davon. Und man kann sich mit eigenen Ansprüchen und Handlungen dagegen stemmen.

    Man muss halt nur damit rechnen, dass man dann scheiße aussieht.

    Im Fall von Texten: dass sie keiner lesen will. (was irgendwie doof ist, wenn man auch inhaltlich was sagen will)

    1. Ich paraphrasiere mal: Wenn du schon kein weißer Hetero-Mann bist und trotzdem willst dass sich irgendwer (i. e. ein weißer Hetero-Mann) mit dir ›beschäftigt‹ (hier unqualifiziert) solltest du wenigstens ne scharfe Olle (liegt im Auge des Betrachters, o. g. weißer Hetero-Mann) sein. Und wenn du echt mal Kritik üben willst solltest du das so machen dass es der Gesellschaft oder was ich dafür halte (Ein Haufen der bereits erwähnten Personen) leicht fällt, sich mit ihr zu beschäftigen.

      Antifa gerne, aber bitte Thierse-Style und nicht Punk. Feminismus gerne, aber ich hätt gern die Variante ohne Haare überall und mit Alphamädchen.

      1. Nö, das kann jeder halten wie er will. Weder in der Theorie noch in der Praxis schließen sich Tierse und die Atifa aus.

        Das soll jeder selbst entscheiden. Man sollte die Folgen aber bedenken.

      2. kann es sein, adrian, dass du jede menge vorurteile gegen weiße heteromänner hegst?

        vielleicht ist mspro gar kein mann. es soll vereinzelt sogar feministinnen geben, die die feministische linguistik kritisch beurteilen.

  16. ich finde es klasse, welche großkotzigkeit und privilegiertenstandpunkte hier schon wieder unreflektiert durch die gegend geschoben werden. macht den text irgendwie noch besser.

  17. Ich geb auf, ich werde diese Debatte nie verstehen, ich verstehe weder die eine noch die andere Seite. Weder überzeugen mich die Argumente fürs Gender-Gap, noch überzeugen mich die Argumente dagegen. Die dafür klingen für mich abgehoben, dass das alles keine euphemistische Tretmühle wird kann ich einfach nicht glauben. Die Argumente gegen das Gender-Gap klingen wie reaktionäre Sprüche aus dem vorletzten Jahrhundert und machen mich wütend.

    Und so sitze ich zwischen den Stühlen und stelle mir die Frage, wer eigentlich die Idee mit dem Unterstrich hatte und kein z.B. Apostroph genommen wurde. Ja, die Frage ist so wichtig, wie die Frage wieso die Autobahnschilder in Deutschland blau und in der Schweiz grün sind. Aber ich stelle sie mir in meiner Wut.

    1. vielleicht hilft es, noch einmal daran zu erinnern, dass das gender_gap nicht nur dazu dient, frauen und männer zu benennen, sondern auch alle, die sich außerhalb der heteromatrix bewegen (queers, trans*, intersex). der _ kann deshalb auch gern durch ein ‚ oder * ersetzt werden (letzteres wird schon benutzt). und aus diesem grund finde ich das gender_gap wichtig. sonst könne mensch ja bei generischem femininum, binnenmajuskel oder /innen bleiben.

      1. Danke endlich für diesen Hinweis. Es ist eben eine Erweiterung des Binnen-Is und nicht einfach genau das gleiche. Das gender_gap spricht einfach auch Menschen an, die sich der Bipolarität der Geschlechter entziehen wollen. Gender queere Menschen gibt es nicht wenige und ich benutze gerne das Gender_gap, jedoch mit Sternchen. ;)

  18. Mit der Sprache ist das natürlich so eine Sache: Weil jeder sie benutzt, fühlt sich jeder zum Experten berufen. Ästhetische Urteile werden dann zu normativen Vorgaben und schwupps, ist die persönliche Sozialisation als Hegemonialgewinnler die Diskussionsgrundlage.

    Als Experte finde ich übrigens die Argumentation des Sichtbarmachens vom Hegemon in Sprache durch _ nachvollziehbar, als Stilist bin ich in meinem ästhetischen Empfinden kein Freund des Unterstrichs. Das liegt aber eher daran, dass ich meine geschriebene Sprache von gesprochener Sprache ableite und dort ein Unterstrich nicht phonologisch realisiert ist.

    1. es gibt bereits praxen, den _ auch zu sprechen allerdings mit gestik beim aussprechen, wie das aber eine_r verstehen soll, der in diesem gebiet gar nicht bewandert ist… nun ja. stimme dir da zu.

  19. zum thema lesefluß/Ästhetik

    Ist schon mal jemand in den Sinn gekommen, dass das unterbrechen des Leseflußes genau der sinn der Sache sin könnte?
    Gerade weil die eingeschliffenen Foramlia texte so konsumierbar machen, und damit die normierung die darin stattfindet dadurch sichtbar gemacht werden sollen, ist es zweckmäßg, die formalästhetischen Konventionen zu verletzen.

    Wie bei einem Film von Michael Haneke, in dem die gewohnten konventionen über Einstellungslängen und kamerabewegungen, die wir hauptsächlich aus hollywood kennen, verletzt werden. damit macht er sichtbar, wie gewalt konsumierbar wird (hanekes filme beinhalten nicht mehr gewalt als ein beliebiger actionfilm, wenn überhaupt so viel).

    Ich würde sagen genau das was ästheten an _innen kritisieren. Das _innen ist die Haneke der Sprache!

    Was @mspro meint ist in seiner formalen feststellung richtig: ist halt unpopulistisch. Aber daraus ein sollen ableiten ist schwierig. umso weniger versteh ich warum er auf twitter schreibt, dass die Feministinnen (ausgerechnet!) damit irgendwem was vorschreiben wollen. Es sind ja die gängigen sprachnormen die – wieder name schon sagt – normieren.

    1. „Ist schon mal jemand in den Sinn gekommen, dass das unterbrechen des Leseflußes genau der sinn der Sache sin könnte?“

      Also das klingt für mich nun wieder konservativ: ein guter Text darf gar nicht leicht konsumierbar sein? Gut lesbare Texte sind das McDonalds der Textwelt und wir müssen unsere Kinder davor beschützen?

      1. es kommt auf den sinn des textes an. und wenn man konventionelle ästhetische Formen kritisiert/ändern/erweitern will ist das einfach das absolute gegenteil von konservativ.

        1. Nein, so habe ich das nicht verstanden, dass wir hier nur über die avantgardistische Texte irgendeines Asta-Arbeitskreises reden.

          So wie ich es verstehe geht es doch sehr wohl um generelle Ansätze, die sich auf die Sprache insgesamt verallgemeinern lassen – und mithin potentiell für alle Texte. Sonst wärs mir ehrlich gesagt auch ziemlich egal.

    2. kleine Ergänzung:

      ÄSthetische Formen sind bekanntlich konventionell. man muss sie kennen um sie zu verstehen. wenn man zu stark von ihnen abweicht, wird man gar nicht mehr verstanden.

      Fiske und Hartley stellen in „Reading television“ eine recht simple Regel auf (auswendig zitiert – nicht wörtl.): The more conventionalised a programme the more popular it is.“ [trifft auf geschriebene texte genauhso zu wie fernsehen]

      Das mag trivial klingen, aber wenn man es auf die feministische sprache und sprachkritik anwendet, sieht man, dass eine populistische kritik konventionalisierter Formen nicht geht. da müßte man(mensch) auf genau diese formen zurückgreifen, die kritisieert werden sollen. das haut nich hin…

    3. Ganz bewußtes Einsetzen von Sprache, schon recht. Ich sehe dabei ab und zu ein Problem, das in Richtung Punkt vier von Adrian bzw. dem vierten Argument, mit dem er sich auseinandersetzt, geht: Bei keinem anderen Thema ist es so einfach, es zur Sprache zu bringen. Egal, worüber gesprochen wird, wenn jemand dabei gendersensible Sprache in Form von BInnen-I, Gender_gap oder was auch immer benutzt, hat man Sexismus und Sprache gleich mal als zusätzliches Thema. Im Netz beispielsweise erlebbar an den Kommentaren, in denen sich Leute daran stören, warum denn da schon wieder das große I oder der Unterstrich im Text stehen.
      Die zeigen dann einerseits meistens, wie nötig es ist, auf diese Praxis nicht zu verzichten, andererseits schadet es ja dem Thema, um das es eigentlich gerade ging.

      Und deswegen bin ich persönlich gelegentlich unschlüssig, ob ich die Aufmerksamkeit, die über diese Verwendung von Sprache für ein Thema hergestellt wird, gut oder schlecht finden soll.

  20. Also mit dem Abostroph statt dem Unterstrich könnte ich schon viel besser leben. Allein schon weil das Abostroph sowieso schon in Texten verwendung findet, und daher nicht gleich so hervorsticht, wie ein blau gehauener Zeh.

    Pilot’innen und Landwirt’innen… Hm. Auch nicht perfekt, aber wenigstens denkt da keiner, er sollte da einen fehlenden Buchstaben selbst eintragen.

    Und das Sprache letztendlich auch das Denken bestimmt, ist eine Theorie, die in der Wissenschaft nicht unbedingt neu ist, und auch nicht als so unwahrscheinlich eingeschätzt wird, wie manche hier denken mögen.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Sapir-Whorf-Hypothese

    Ob es generell eine gute Idee ist, das Denken von Leuten gezielt durch Herummanipulieren an ihrer Sprache zu beeinflussen, das ist dann wieder eine ganz andere Sache. Ich halte es eher für gefährlich, da es keine gesicherten Erkenntnisse über eventuelle Kollateralschäden gibt, noch man die selbstständige Weiterentwicklung von Sprache stoppen kann oder dies meiner Meinung nach versuchen sollte.

    1. Ob es generell eine gute Idee ist, das Denken von Leuten gezielt durch Herummanipulieren an ihrer Sprache zu beeinflussen, das ist dann wieder eine ganz andere Sache.

      es ist nicht zu verhindern. jeder der sprache benutzt kann sie verändern, es sei denn es gäbe eine gedankenpolizei… (insofern diese nicht unmöglich ist)

      in wiefern die veränderung bewusst oder unbewusst passiert ist dabei garnicht relevant.
      die ’selbstständige‘ weiterentwicklung der sprache ist von interessen geprägt. und vielleicht durch zufall.

      oder frei nach bucky fuller:
      „du musst dir einen plan machen, sonst macht ihn dir jemand anderes“

  21. Und das Sprache letztendlich auch das Denken bestimmt, ist eine Theorie, die in der Wissenschaft nicht unbedingt neu ist, und auch nicht als so unwahrscheinlich eingeschätzt wird, wie manche hier denken mögen.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Sapir-Whorf-Hypothese

    Nein, das ist keine Thoerie, sondern eine Hypothese – wie der Name schon sagt. Wäre sie eine Theorie, müsste sie hinreichend belegt sein. Für die Hypothese stehen die Belege noch aus. So auch für die Sapir-Worf-Hypothese. Man kann diese Hypothese also nicht als Argument oder Beweis heranziehen, sondern lediglich als unbewiesenen Diskussionsbeitrag.

  22. Genausowenig, wie ich irgendwelche Rechtschreib“reformen“ als für mich verbindlich ansehe, lasse ich mir vorschreiben, wie ich meine Sprache genderisiere. Ebensowenig lasse ich mir unterstellen, deswegen ein mieser Patriarch zu sein. Wer mich kennt, möge mein Reden und mein Handeln beurteilen. Irgendwelche Formalien in sämtlichen Texten kontextlos einzuhalten halte ich für genauso sinnvoll wie tägliches Beten: garnicht.

    1. Du hast meinen Text nicht gelesen, sonst wüsstest du wenigstens, dass ich nix vorschreibe, sondern mich viel mehr dagegen wehre, dass mir etwas vorgeschrieben wird. Siehe auch letzter Absatz.

  23. Wie du manche Punkte als „Abwehrstruktur Privilegierter“ abtust, das ist schon ein schönes Totschlagargument. Aber nee, ist klar, dass ich das jetzt moniere ist natürlich auch nur eine „Abwehrstruktur Privilegierter“. Da kommt man auch nicht raus, Glückwunsch!

    Ähnlicher Unsinn: Weil dir keiner die Rechtschreibfehler in die Kommentare schreibt, darf keiner mit Ästhetikargumenten beim Binnen-I kommmen? Was für ein Bullshit. Fehler in Blogposts nicht öffentlich kommentieren gebietet der Anstand (ist ja keine Zeitung und man will nicht als Pedant darstehen) – deswegen empfinde ich sie aber trotzdem als störend. Ist halt bloß ein Unterschied, ob das Unästetische quasi aus Versehen passiert oder von vornherein beabsichtigt ist.

    PS: Andere Punkte und Argumente fand ich ganz gut.

  24. Danke für den tollen Text, den streue ich gleich weiter. Ich selbst nutze zwar die ‚*Innen‘-Schreibweise, weil da sowohl die strukturelle Benachteiligung ‚weiblich‘ konstruierter Menschen mit drin ist, als auch das ‚jenseits der Zweigeschlechtlichkeit‘, habe aber alle mal lieber _ statt garnix.

    Das ‚*‘ übrigens, weil es ja bereits mit der Bedeutung ‚Platzhalter*In für vieles‘ daherkommt. :)

    Zum Thema ‚ideologische Diskussion‘. Humbug, das ist blanker Materialismus, immerhin geht es ja darum die materielle Realität nicht-zweigeschlechtlicher Menschen, die im zunehmenden Maße zumindest als Existent verhandelt werden (siehe z.B. die Anerkennung von Transgender in den Diskriminierungsgesetzen des UK, die sicherlich noch nicht die beste aller Lösungen ist.) in die Sprache zu bringen. In diesem Sinne versucht emanzipatorische Sprachpraxis ja nicht idealistisch eine neue Realität herbeizukonstruieren, sondern eben gerade dazu beizutragen, dass die Sprache nicht mehr hinterher ist und Realitäten verdeckt. Wenn hier irgendwas ideologisch ist, dann doch bestenfalls die Beißreflexe der hegemonialen Männlichkeiten gegen den Gender_gap.

    1. >> Wenn hier irgendwas ideologisch ist, dann doch bestenfalls die Beißreflexe der hegemonialen Männlichkeiten gegen den Gender_gap.

      Nee. Meine Freundin findet Schreibregelungen wie das Binnen-I ebenso wie ich bekloppt. Ich denke, die Feministinnen- und Feministen- und Feminist_*‘!$%§enszene kreist um sich selbst. Ich entschuldige mich für meine sexistische Schreibweise _*‘!$%§ bei der ich wohl einige Trans-, Queer-, Bi- und sonstige Subkategorien unterschlagen habe, aber mir gehen die Sonderzeichen aus.

  25. In diesem Sinne versucht emanzipatorische Sprachpraxis ja nicht idealistisch eine neue Realität herbeizukonstruieren

    doch, genau das versucht sie. sie versucht namentlich eine sexuelle identität (wie z.b. homosexualität) als geschlechtsidentität zu verkaufen. und das ist eine idealistische konstruktion, denn ein homosexueller mann ist und bleibt ein mann, eine homosexuelle frau ist und bleibt eine frau. ihr sexualverhalten ist nicht gleichbedeutend mit ihrem biologischen geschlecht und kreiert auch kein neues geschlecht. und das gilt auch für transsexuelle, sie haben auch nach allen OPs und hormonbehandlungen kein originär neues biologisches geschlecht, sondern ihr körper wird nur kosmetisch angepasst. eine wirkliche geschlechtsumwandlung gibts nicht. die neuen „organe“ sind gewebeanhängsel, vom chirurgen konstruiert!, ohne tatsächliche funktion.

    1. @Rechtschreibung

      Na wenn selbst deine Freundin das doof findet und es Menschen, nicht in den zwei Gerschlechterkategorien aufgehen in deiner Weltsicht nicht vorkommen, dann ist ja alles gut. Dann regen sich die ganzen Menschen, die bei Geburt zwangsoperiert wurden um ‚Mann‘ oder ‚Frau‘ zu sein wohl alle wegen nichts auf, nehme ich an?

      @Wudu

      Interessant, und was ist mit den ganzen Menschen ohne eindeutige männliche oder weibliche Geschlechtsmerkmale (primär, sekundär, hormonal, chromosomal etc. pp.). Alles wider die natürliche Ordnung?

      Zweigeschlechtlichkeit ist kein biologisches Faktum, sondern Resultat eines bio-medizinischen Diskurses der Moderne (vgl. z.B. „Making Sex revisited“ von Voss, 2010)

  26. Danke für deine tolle Zusammenfassung von Argumenten für eine gendergerechte Schreibweise, ich werde sie ebenfalls gleich weiter bloggen :)

    Nur allzu schade, dass selbst die von die logisch und anschauliche dargelegte Argumentation nicht gegen das Ressentiment einiger sich immer noch in ihrer heteronormativen Matrix einkuschelnden Weichbirnen ist, die sich nicht einmal zu schade sind, ihr schon längst widerlegtes Gesabbel an die Öffentlichkeit zu tragen.

    1. „Nur allzu schade, dass selbst die von die logisch und anschauliche dargelegte Argumentation nicht gegen das Ressentiment einiger sich immer noch in ihrer heteronormativen Matrix einkuschelnden Weichbirnen ist, die sich nicht einmal zu schade sind, ihr schon längst widerlegtes Gesabbel an die Öffentlichkeit zu tragen.“

      Ist doch gut, wenn man weiß, dass man zu denen gehört, die recht haben, und den Rest zu Untermenschen oder Verteidigern des Bösen erklären kann. Das mag ich so an Ideologie.

  27. Interessant, und was ist mit den ganzen Menschen ohne eindeutige männliche oder weibliche Geschlechtsmerkmale (primär, sekundär, hormonal, chromosomal etc. pp.). Alles wider die natürliche Ordnung?

    so viele sinds ja nicht, dass alle anderen plötzlich auch kein eindeutiges geschlecht mehr haben. und was wir mit ihnen machen? wir überlassen es einfach ihnen, ob sie sich einem oder keinem geschlecht zurechnen wollen. aber wir müssen nicht jede varietät verschubladisieren oder extra benennen. „wider die natürlich ordnung“ ist da übrigens auch nix. denn anomalien gehören in der natur ganz natürlich dazu. sie bilden aber i.d.r. nichts neues und hier kein neues geschlecht.

    Zweigeschlechtlichkeit ist kein biologisches Faktum

    doch. natürlich ist es das. zweigeschlechtlichkeit ist kein theorie und auch keine konstruktion. sexuelle fortpflanzung ist bereits 565 mio jahre alt. damals war niemand da, der das hätte „konstruieren“ können. seitdem gibt es zwei geschlechter. keines ist seither hinzugekommen, denn das wesen von „geschecht“ besteht in seiner aufgabe im fortpflanzungsgeschehen. nicht in sozialen rollen und zuschreibungen, auch nicht in philophischen interpretationen, ebensowenig in sexuellen vorlieben oder genetischen anomalien. ein neues geschlecht wäre vorhanden, wenn es eine neue rolle im prozess der fortpflanzung einnehmen würde. eine neue stellung beim sex ist dafür nicht ausreichend.

    und klar, da kommen immer die gleichen aktuellen sozilogieseminarformeln von der heteronormativen matrix und der dominanzgesellschaft. das ist alles ideologisch konstruierter bullshit.

    1. Aehm, das kommt darauf an, wie man das biologische Geschlecht definiert. Fangen wir mal bei den Chromosomen an. Als „Anzahl“ der biologischen Geschlechter wuerde ich die Anzahl der auftretenden Kombinationen von X und Y definieren. Da haben wir XX und XY, macht zwei. Dazu kommen noch Pathologien wie XXX, XYY und so weiter, wie mehr oder weniger starken physischen oder ggf. geistigen Beeintraechtigungen. Lasse ich die Pathologien weg, komme ich auf genau zwei biologische Geschlechter. Diese Definition heisst siw. genetisches Geschlecht. Alle anderen biologischen Geschlechter (gonadal und genital) sind ungeeignet, wenn man ein „Anzahl“ an Geschlechtern festlegen moechte, weil es Uebergaenge bzw. Zwischenformen gibt.

      Lege ich also das genetische Geschlecht zugrunde, gehoert jede_r, sprich JEDE_R(!), unabhaengig vom eigenen Empfinden entweder zu einem der beiden genetischen Geschlechter (oder zu einem der pathologischen Faelle). Das ist Logik, klar und einfach. Freut mich, dass ich helfen konnte.

      1. das kommt darauf an, wie man das biologische Geschlecht definiert

        so schwierig ist das gar nicht. zur fortpflanzung (remember: das wesen des biologischen geschlechts ist seine aufgabe in der fortpflanzung) benötigt man 2 geschlechter, die können einzeln oder gemeinsam in einem lebewesen auftreten. es sind und bleiben zwei. die anomalien und zwischenformen sind keine „neuen“ geschlechter.

        Das ist Logik, klar und einfach. Freut mich, dass ich helfen konnte.

        vielen dank nochmal, dass du mir das erklärt hast, was ich aufgeschrieben hatte. war wirklich ne große hilfe *gg*

  28. Ich glaube, dass ihr mit den Debatten, die auf den ganzen Blogs und in euren Freundeskreisen geführt werden, nicht die Menschen erreicht, die wirklich erreicht werden sollten.
    Wie schon mal erwähnt wurde, der Feminismus usw. scheint sich um sich selbst zu drehen, und viele nehmen solche Diskussionen gar nicht ernst (oder kriegen die nichtmal mit), nach dem Motto „Die Spinner mit dem gender_gap“. Weil es so scheint, als ob sich hier einige einfach extrem festgebissen haben, und sich so sicher sind, dass mit ihren neuen Sprachregeln alles besser wird, oder zumindest „ein wichtiger Schritt“ gemacht wird. Meiner Meinung nach wird es IMMER Menschen geben, die sexistisch sind, selbst wenn überall LehrerInnen_innen/Lehrer und Lehrerinnen stehen wird. Mal davon abgesehen ist das ganze Zeug doch wirklich nur im Schriftlichen anwendbar, _ und I spricht man wohl kaum mit und dieses ewige „Bürger und Bürgerinnen“ wirkt auch immer dermaßen aufgesetzt und umständlich beim Sprechen. Und nein, ich meine nicht, dass „die wird es immer geben“ heißt, dass man dann ja eh nix machen muss, nur dass der Ansatzpunkt falsch ist bzw. keine Ergebnisse haben wird. Da müsste man schon tabula rasa machen und mit einer völlig unvorbelasteten Gesesllschaft neu anfangen.

    Im Englischen gibt es ja diese Unterscheidungen, generisches Maskulinum etc., wie im Deutschen nicht. Die Sprache ist also relativ neutral.

    Frage: Gibt es deswegen weniger Sexismus in englischsprachigen Ländern?

    1. M. d’accord.
      ich sehe das ganz genauso. würde, wie einige behaupten, die sprache tatsächlich das denken und im zuge dessen das handeln ändern, dann sollte sich das ja messbar in der realität niederschlagen. aber da ist nichts zu verzeichnen. es gibt auch sprachen ganz ohne genus, haben die das denken und handeln in den ensprechenden ländern beeinflusst? nein. in ungarn stehts um die emanzipation auch nicht besse als anderswo. und auch in der geschichte ungarns wars nicht anders.

      ja, der ansatzpunkt ist falsch. frauen müssen nicht in der sprache „sichtbar gemacht“ werden. da ist herumdoktern am symptom, nicht an der ursache. sie müssen in der realität sichtbar werden. z.b. wie im amt der bundeskanzlerin. dann gibts da auch ein neues wort: bundeskanzlerin.
      und zwar müssen sich sich selbst sichbar machen, sie müssen nicht von irgendwem sichbar „gemacht werden“.

    2. Ich habe durchaus das Gefühl, einige Leute zu erreichen, die ich erreichen will – sonst wäre die Diskussion hier wesentlich ruhiger.

      Ich halte nicht viel von tabula-rasa-Phantasien. Es heißt nicht umsonst „Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt“ und nicht „Wir nennen Kommunismus die schöne Idee mit der wir uns das Leben in der Realität versüßen“. Es geht darum, eine bessere Welt für uns, die jetzt und in Zukunft real existierenden Menschen, zu schaffen.

      Dein Einwand zum Englischen trifft nicht: „Ziel der Veranstaltung ist es nicht, Sprache zu korrigieren, zu neutralisieren, zu glätten.“

  29. Eines der größten Gegenargumente ist für mich, dass Gender_gap und Binnen-I ein Auseinanderdriften von geschriebener und gesprochener Sprache bedeuten. Vorlesen kann man einen Gendergap ja nicht wirklich.

  30. Da ich jetzt nicht auf Identica in 140-Zeichen diskutieren möchte (siehe Link), verlager ich das mal hier her.

    Du sagst, das „Gender_gap“ ist ein Kampfmittel. Aber hast du mal hinterfragt, ob es auch ein sinnvolles Kampfmittel ist?

    Du verlagerst doch die Problembekämpfung nur auf eine sprachliche Ebene. Wenn jedem von vornherein klar wäre, dass bspw. Wissenschaftler unabhängig von ihrem Geschlecht sehr wertvolle Beiträge liefern, dann braucht man nicht von Wissenschaftler_innen reden oder schreiben. Oder ich sage es so: Wenn wir in einer emanzipierten Gesellschaft leben würden, dann wären die Ungerechtigkeiten der Sprache total egal. Auch euch, die ihr das „Gender_gap“ oder Binnen-I verteidigt.

    Dass dies in unserer Gesellschaft anders aussieht, ist mir ja bewusst. Beispielsweise: in technischen Berufs- und Forschungsfeldern gibt es immer noch viel weniger Frauen als Männer. (Randnotiz: Über das dritte Geschlecht gibt es da wahrscheinlich nicht mal Ansätze von Statistiken.) Da ich in der DDR aufgewachsen bin, weiß ich, dass das dort nicht so war. Hieraus folgt für mich, dass die heutige technische Männerdomäne eine Folge der Sozialisierung ist und das (selbstverständlich!) nicht an einem Penis festzumachen ist. Die Sozialisierung beginnt natürlich schon bei „Kleinigkeiten“ wie Farben oder Spielzeug für ein Kleinkind. Naja, ich will dich nicht langweilen, führe also gar nicht weiter aus, sondern komme zum Punkt:

    Männer denken die meiste Zeit des Tages an Sex, sind mathematisch und logisch fähiger, können besser Autofahren, und kommen wegen allem zusammen eher in Führungspositionen. Frauen reden ununterbrochen, sind überaus emotional und können Farben besser auseinanderhalten. Solange Quatsch dieser Art (endlos erweiterbar) in den Köpfen der Menschen ist, tut sich nichts in der Gesellschaft. Und meines Erachtens hilft da kein Binnen-I oder „Gender_gap“ und auch nicht die ewigen Diskussionen darüber. Aber ich kniebel mittlerweile auch keine Naziaufkleber mehr ab.

    Nochmal anders formuliert: Mir würde es darum gehen, die gesellschaftlichen Probleme zu lösen, nicht die sprachlichen. Die Baustelle mit der Sprache lenkt nur von den eigentlichen Problemen ab.

    Nun kurz noch zu deinem Ausgangsdent:

    Auch ich finde Texte extrem anstrengend zu lesen, wenn dort konsequent Binnen-I/“Gender_gap“ oder Formulierungen wie „sein/ihr“ zu finden sind. Ein „Studierenden“ ist da weit weniger störend. Eine automatisierte Entfernung dieses sprachlichen Kampfmittels hat also nichts mit Maskulinismus zu tun. In deiner Analogie sprechend: so sehr ich mit einem „Nazis raus!“ auch sympathisiere – wenn es auf meine Hauswand gesprüht wäre, würde ich es lieber entfernen lassen.

  31. du bist einfach nur ein gutmensch-spießer wie alle anderen auch. mehr nicht.

    deine argumente sind genau so verbohrt wie die der gegner und deshalb auch nicht richtiger.

  32. Wir verwenden den Begriff „Hure“ durchaus auch stolz für männliche Prostituierte, um damit zu zeigen, dass das nichts ist, wofür man sich schämen müßte. Politisch korrekt ist der Begriff „SexarbeiterIn“ oder internationaler „sexworker“. Wobei man da dann wieder konsequent gendern müßte, wegen des maskulinen Genus.

    Obwohl auch ich beim Lesen von Texten oftmals ein Problem mit Binnen-Is und Gender_gap habe, finde ich deinen Artikel durchaus richtig und wichtig. Oftmals wird einem, gerade auch in politisch aktiven Gesellschaften, der Gebrauch bestimmter Protestformen madig gemacht. Es heißt dann: Das weiß doch schon jeder, das muß man doch nicht extra sagen, das nervt doch nur, etc. Ja, es weiß auch jeder, dass Krieg scheiße ist und trotzdem gehen wir auf die Straße, um zu demonstrieren. Auch das Binnen-I und Gender_gap sind m.E. solche Protestformen. Man zeigt damit Präsenz und demonstriert sein Mindset. Wenn wir über die Dinge, die uns stören, beständig schweigen, dann ändern sie sich auch nie. Insofern ist Kommunikation ein Instrument, Sprache formt das Denken und darf nicht vernachlässigt werden. Es lohnt sich auszusprechen und deutlich zu machen, was man denkt.

  33. @Stephan Beyer

    „Wenn wir in einer emanzipierten Gesellschaft leben würden, dann wären die Ungerechtigkeiten der Sprache total egal.“

    Wenn wir in einer emanzipierten Gesellschaft leben würden, dann wären die Ungerechtigkeiten der Sprache NICHT egal, sondern abgeschafft.

    Du arbeitest ja schön heraus, das stereotype Zuschreibungen das eigentlich/wahre Problem seien. Aber es geht doch _nicht_nur_, um diffuse Vorstellungen in den Köpfen, sondern auch um ein Verschweigen/Verstecken von Frauen und vielen vielen anderen Geschlechtern.
    Und wie glaubst Du, kommen diese stereotypen Vorstellungen in die Köpfe? Etwa nicht durch Sprache und sprachliche Vermittlung?
    Wieso hälst Du Sprache für so unwichtig, dass sie keiner (emanzipatorischen) Veränderung bedarf? Benutzt Du auch noch das N-Wort? Schreibst Du noch immer ß statt ss? (endlos erweiterbar)

    Sprache und Schriftsprache ändern sich immer und ständig. Visuelle Gewohnheiten können sich dabei durchaus anpassen, sodass z.B. die alte Rechtschreibung von vielen schon längst sehr schnell als Fehler erkannt wird.
    Entsprechend finde ich es mittlerweile als störend und irritierend, wenn ein Text nicht mit gender_gap oder wenigstens einem Binnen-I geschrieben ist. Immer etwas mitzudenken, was nicht geschrieben steht, ist ein sehr viel schwierigerer und komplizierterer Denk- & Verständnisprozess, als umgekehrt.

    Nochmal anders formuliert: Mir geht es darum die gesellschaftlichen Probleme zu lösen, und dazu gehört auch die Sprache. Sprache ist genau das, was uns prägt, sozialisiert, uns Inhalte und Wahrheiten vermittelt oder eben auch verschweigt. Sprache formt unsere Vorstellungen, sie wertet auf und ab, wenn wir nicht genau darauf achten, wie wir sie benutzen/interpretieren. Sie schafft (gesellschaftliche) Normen und hat auch die Macht sie aufzubrechen.

    1. Danke, liebes TakaTukaLand,

      es ist natürlich klar, dass Sprache (also auch Grammatik und Rechtschreibung) sich ständig – evolutionär – wandelt. Auch ich selbst vermeide bewusst Begriffe wie „geistiges Eigentum“ und versuche teilweise auch völlig unnötige Anglizismen („Location“, „Dad“, „Overhead Projector“) zu vermeiden. Das ist meine ganz persönliche Form von Protest, hier gegen die Einordnung von Ideen o.Ä. unter dem Eigentumsbegriff, dort gegen die unhinterfragte Verwendung von Fremdwörtern. Andererseits verwende ich bspw. „wtf!“ relativ häufig, und bin bei letzterem auch überhaupt nicht konsequent.
      Von mir aus kann auch gerne jeder so sprechen und schreiben, wie er mag – und auch sie und es und alle anderen natürlich auch. Ohne Punkt und Komma, alles klein, mit drei Ausrufezeichen hinter jedem Satz, mit „Gender_gap“, von mir aus kann er auch das N-Wort (mit als auch ohne _in) oder die alte Rechtschreibung verwenden. Jeder verwendet Sprache, aber hält sich dabei an unterschiedliche Regeln. Das ganze findet dezentral und evolutionär statt, d.h. es sterben Sprachformen aus und andere werden für eine gewisse Zeit gesellschaftliche Norm (wie auch immer man diese definieren mag). Und das finde ich gut so.

      Nun bin ich abgeschweift.
      Eigentlich wollte ich darauf hinaus, dass ich die Sprache tatsächlich nicht so hoch bewerte wie du. Sprache ist ein Mittel, mehr nicht. Kommunikation findet auch auf vielen anderen Wegen statt, z.B. indem ganz banal „Rollenbilder“ vorgelebt werden. Und ja, ich denke, das Denken bestimmt die Sprache. Ich kann Sachen denken, die ich nicht sprachlich ausdrücken kann (z.B. über Bilder… aber natürlich kann ich mir auch Sachen denken, die ich mir nicht bildlich vorstellen kann). Die Sprache beeinflusst zwar auch das Denken, ist aber nicht maßgebend. Ergo: auch in einer voll emanzipierten Gesellschaft kann ein generisches Maskulinum verwendet werden.

      Du meinst, dass Frauen und die anderen Geschlechter im generischen Maskulinum versteckt werden. Ich meine, dass die nur dann versteckt werden, wenn das Geschlecht keine Rolle spielt. Also dann, wenn das Geschlecht eben auch versteckt werden sollte, weil es keine Rolle spielt und sonst eine überflüssige Information darstellt, die keine ist.
      Dass der Arzt und der männliche Arzt beide unter das Wort „Arzt“ fallen (generisches Maskulinum), hat sich so entwickelt. Mir ist aber, wenn ich einen brauche, egal, welches Geschlecht er hat – hauptsache am Ende bin ich wieder gesund. Wohl aber macht es für manche Frauen einen Unterschied, ob ihr Frauenarzt männlich oder weiblich ist. Dann ergibt es auch Sinn vom männlichen Arzt oder eben einer Ärztin zu reden.

      Dein Punkt mit „immer etwas mitzudenken, was nicht geschrieben steht“ brachte mich zum Schmunzeln. Eigentlich stehen ja alle Geschlechter da – die darüber hinaus überhaupt keine Rolle spielen – nur du interpretierst es männlich. Wahrscheinlich bewertest du nicht nur die Sprache sondern auch das Merkmal Geschlecht einfach viel höher als ich. Das Geschlecht ist aber für mich auch nur ein äußerliches Merkmal – neben Hautfarben (Adrian brachte das Beispiel in seinem Beitrag), Haarfarben, Augenfarben, Kopfform, usw. (Ein Kriterium für die Partnerwahl, sonst nichts.) Niemand darf wegen irgendetwas davon benachteiligt werden. Soll ich deswegen aber alle benennen müssen?

      Zu Sprache und gesellschaftlichen Problemen: Nur weil man von Techniker_innen und Manager_innen redet, werden es nicht mehr Frauen in diesen Bereichen. (Um nur ein Problemfeld von vielen zu benennen.) Im Bereich der Technik gibt es bereits viele wertvolle Initiativen… wenn ich alleine an die Aktionen von Unis denke, die versuchen Frauen für Technik zu begeistern. Leider oft viel zu spät, aber der Weg ist meinem Empfinden nach richtiger und zielführender als sprachliche Kampfmittel zu benutzen. Denn nicht die Sprache verändert die Gesellschaft, sondern Taten.

      1. Ja, offensichtlich bewerten wir die Wichtigkeit der Sprache unterschiedlich. Trotzdem gehe ich nochmal darauf ein, denn auch der Sprechakt ist eine Tat. Indem Du etwas sagst (und mit dem was Du sagst) handelst Du, bestärkst oder verneinst etwas etc. Du wirkst also auch durch Sprache auf Individuen sowie auf gesellschaftliche Veränderungen ein (oder eben auch nicht).
        Ein wahlloses Beispiel aus dem Antirassismus-Diskurs: Es ist ein enormer Unterschied in der Wahrnehmung und Sensibilisierung, ob ich von „Asylanten“ (stören, Schmarotzer…) oder „Flüchtlingen“ (Anerkennung, hilfbedürftig…) spreche. Aber ich will ja nicht abschweifen ;)

        Ich stimme Dir zu, dass Sprache bzw. Änderungen in der Sprache allein keine gesellschaftliche Veränderungen herbei führt. Aber ich halte sie doch für einen wichtigen Teil davon, der nicht zu unterschätzen ist. Auch ein Vorleben von Rollenbildern kommt nicht ohne Sprache aus, mit der man Jungen sagt, dass sie nicht weinen dürfen, und Mädchen, dass sie nicht auf Bäume klettern sollen.

        Deine Argumentation zum generischen Maskulin, das alle Geschlechter meinen soll, halte ich für zu pragmatisch (an bestimmten Fällen orientiert). Denn es geht (mir) nicht um eine möglichst praktische Sprache, sondern um Sensibilisierung der und durch Sprache. (Und wenn es nur ums Pragmatische geht, sollten wir vielleicht über die Abschaffung der deutschen Sprache reden, denn die ist nunmal sehr kompliziert.)
        Du sagst, dass das Geschlecht oft keine Rolle spielt. Dabei leben wir in einer Gesellschaft, in der es eine enorme rolle spielt; genau das zeigt doch das Problem, dass z.B. in technischen Berufen so wenige Frauen* arbeiten.
        Und auch beim Beispiel Arzt: Glaubst Du wirklich, dass es keine Auswirkungen hat, wenn wir immer von Ärzten (maskulin) und Arzthelferinnen (feminin) reden? Meinst Du nicht, dass das für eine Berufswahl prägend sein kann? Dass der Geschlechter-Unterschied bei Ärzt_innen nicht so gravierend ist (oder?) wie in technischen Berufen, liegt meiner Meinung nach nämlich nicht am generische Maskulin, der alle vereint, sondern daran, dass Ärzt_in ein Fürsorgeberuf ist, der deshalb (mittlerweile) auch für Frauen* legitimiert und anerkannt ist.

        Und darüber hinaus: Neben Sprache sind auch einzelne Initiativen für mehr Frauen* in technischen Bereichen noch nicht ausreichend für eine gesellschaftliche Veränderung. Denn viele Frauen*, die sich für diesen Weg entscheiden, brechen diesen nicht zuletzt wegen der Kommillitonen, Profs, Kollegen und Chefs wieder ab. Eine gesellschaftliche Veränderung muss also auf vielen – auch „privaten“ – Ebenen voran getrieben werden. Dazu gehören die von Dir angebrachten Initiativen genauso wie Sprache und vieles vieles mehr.

  34. Aber wenn wir bei Binnen-I und Gender Gap nur über ein Kampfmittel sprechen, dann sollte man die Verweigerung von dessen Verwendung niemandem vorwerfen. Welche Methoden die Menschen zur Durchsetzung politischer Ziele verwenden, kann ja zumindestens bei dem Spektrum von dem wir hier sprechen nicht wichtiger sein als der Inhalt politischer Ziele. Ich sehe in diesem Sprachgebrauch jedenfalls vorallem eine Abgrenzung, indem die Verwendung/Nichtverwendung entsprechender Formeln zur Identifikation von Zugehörigkeit/Nichtzugehörigkeit zur eigenen Bewegung genutzt wird. Das ist auch nicht besonders integrativ.

    1. Ich habe in diesem Text geschlechtersensible Sprache vor allem als Kampfmittel dargestellt. Das heißt nicht, dass das die einzige Betrachtung ist. Vor allem werfe ich aber niemandem „die Verweigerung von dessen Verwendung“ vor, sondern wehre mich viel mehr gegen jene, die mir vorschreiben wollen, sie nicht zu verwenden.

  35. 2 Fragen:

    wie ist die weibliche Form von Bürgermeisterkandidat??

    und Problem Nr. 2: Bspl.-Aussage (unabhängig vom inhalt)“Frauen sind die besseren Studenten“ (m und w wird in diesem Satz impliziert und ist grammatikalisch korrekt)
    Neudeutsch:
    „Frauen sind die besseren Studentinnen und Studenten“ ist ja schwachsinnig, ebenso „Frauen sind die besseren Studentinnen“ genauso wie „Männer sind die besseren Studentinnen“, somit kann man diese Konstellation nicht verwenden, ich bin skeptisch, mit Gleichstellung hat das nichts zu tun.

  36. Binnen-I und Gender-Cap passen nicht auf Bibliothekare und Bibliothekarinnen, da unterschiedliche Endungen, also inkonsequent und in dem Fall diskriminierend…gibt wichtigeres in der Realen Welt zu tun, Sprache muss sich entwickeln und nicht entwickelt werden

  37. und was ist mit SchirmHERRschaft, soll das jetzt Schirmfrauschaft heißen?? Oder Schirmherrinnenschaft -> dann aber auch Schirmherrenschaft, weil Plural Herr-Herren, Herrin-Herrinnen. Nur dann entfernt man sich so sehr von der Sprache, dass es lächerlich ist.

  38. Die Sprache ist doch nur ein Spiegelbild einer Gesellschaft. Sie drückt auf manchmal krasse und auch zeitweise subtile Art die Verhältnisse in einem Land aus. Allerdings ist das nicht für jeden nachvollziehbar. Hält man sich an die Fakten, dann haben sich die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern im Jahr 2013 leicht verringert. 86 der 133 untersuchten Länder konnten mit Fortschritte glänzen. Das sind immerhin weit mehr als die Hälfte. In Deutschland hat sich allerdings wenig getan. Vor allem auf Schlüsselpositionen wie in wirtschaftlichen Führungspositionen und in politischen Ämtern sind Frauen bis heute unterrepräsentiert. Während sie im Bereich der Bildung, Gesundheitsversorgung stärker vertreten sind. Doch eine Sache ist das Verhältnis der Positionen und ein anderes die Bezahlung. Der Gender Gap Index zeigt auch wieder, dass die nordischen Länder Island, Finnland, Norwegen und Schweden wie so oft in sozialen Belangen weit vor dem Rest der Welt rangieren. Ob es sich allerdings lohnt so einen großen sprachlichen Aufwand um die Missstände zu machen, das steht auf einem anderen Blatt.

  39. Ich finde die Diskussion ist übertrieben,denn irgendwie scheint mir das nich konsequent, es gibt doch Berufe in denen Frauen überrepräsentiert sind und da sollten die Männer dann auch eine Quote bekommen, z.B. Hebamme! Und wie soll dann der männliche BEgriff zu Hebamme lauten, das ist m.E. alles zu künstlich. Nur wenn man A sagt muss man auch B sagen.

  40. wahnsinn. ist ja entsetzlich hier in der kommentarsektion. nur rumgemaule.
    ich für meinen teil finde jedenfalls den gendergap mitlerweile ästetisch sehr schön und auch (beim stillen lesen) völlig unproblematisch. (würde man oder frau den text laut jemand anderem vorlesen, dann wird einfach an den entsprechenden stellen eine doppelnennung vorgenommen.)

    ich finde es eigentlich geradzu amüsant, welchen aufwand andere menschen in anderen dingen bereit sind zu treiben (fitnessstudio, sport und bei vielen frauen, sich täglich zu schminken), sogar dahingehend, dass sie leute, die selbiges nicht tun vielleicht sogar als „faul“ bezeichnen würden, ABER SOBALD es eben um geschlechtergerechte sprache geht, ist das alles angeblich wahnsinnig kompliziert und zeitraubend :D

    und natürlich nicht zu vergessen: anderswo verhungern menschen, und ihr regt euch darüber auf, dass andere menschen doppelnennungen und/oder gap besser finden? #whereismypopcornwhenineedit

  41. Was für eine Verschwendung von Zeit und Energie. Die älteren von euch kennen vielleicht noch Robert Gernhard. Er hat zu dem Thema sehr treffende Worte gefunden. (Siehe: „Über alles“)…
    Ich bekomme Hirnkrämpfe, wenn ich mich durch Texte arbeiten muß, in denen ständig _Innen vorkommt. Der Kontext und Subtext ist wichtig…
    Eine „gerechte“ Lösung wird es so grammatikalisch nicht geben. Eine Annäherung wäre vielleicht generell auf Personalpronomen zu verzichten Oder es wie die Engländer zu machen.. Der, die, das wird zu „de“. Einer, eine, eines zu „en“…
    Weil mir diese ganze Diskussion den Nerv raubt, schreibe ich grundsätzlich nur noch weibliche Substantive. Also liebe Denkerinnen, nix für ungut, es sind auch Denker gemeint…

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