Der Schwarze Kanal ist ein seit 18 Jahren bestehender Wagenplatz in Berlin an der Spree. Zum Ende des Jahres läuft der Mietvertrag mit der Grundstückseignerin Hochtief aus. Für den gestrigen Samstag riefen die Bewohner_innen des Wagenplatzes zu einer Demonstration gegen das drohende Ende ihres Projekts auf.
Der Schwarze Kanal
Der Schwarze Kanal befindet sich auf einer Brachfläche direkt an der Spree in Berlin-Mitte. Allein in diesem Jahr fanden im Juni das queere Filmfestival „entzaubert“, im Juli Veranstaltungen des feministischen „LaD.I.Y.fest“ und im September das queere Musikfestival „upyourears“ auf dem Platz statt. Regelmäßig finden vegane Voküs, Fahrrad- und Bastelworkshops statt.
Zwei mal im Monat wird mit den Bewohner_innen des Flüchtlingsheims Hennigsdorf der Workshop „Bike Aid“ veranstaltet, der ihnen zumindest ein wenig freie Bewegung ermöglichen soll. Gegen die neoliberale Stadt engagiert sich der Wagenplatz im Rahmen der Kampagnen „Mediaspree versenken“, „Megaspree“ und „Wir bleiben Alle“ ebenso wie bei der Organisation des Transgenialen CSDs.
Auf dem Gelände wohnen und leben 25 Menschen – Als Veranstaltungsort und queer-feministischer Freiraum ist das Projekt für Tausende wichtig geworden
Die Situation
Hochtief hat den Mietvertrag des Schwarzen Kanals zum 31. Dezember 2009 gekündigt. Auf dem direkt an der Spree liegenden Nachbargelände, das ebenfalls der Hochtief AG gehört, soll ein Bürogebäude für 717 Angestellte von vier Berliner Tochterfirmen des Konzerns entstehen. Das Gelände des Schwarzen Kanals selbst wird nur für Baulogistik benötigt, später sollen dort Wohnhäuser entstehen. Hochtief erwarb die Grundstücke vor sieben Jahren von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Dabei wurde sie der „Stadtentwicklung“ wegen vertraglich dazu verpflichtet, bis 2010 auf dieser Fläche zu bauen. Da Hochtief bisher keinen Interessenten fand, baut der Konzern nun selbst auf dem Gelände, um den Auflagen zu entsprechen. Das eigentliche Baugrundstück ist an Sommerwochenenden ein beliebter Ort für freie Partys.
Mit dem Bauvorhaben wird nicht nur ein Wohnprojekt bedroht, sondern auch einer der wenigen verbliebenen Freiräume an der Spree geschlossen. Für den Schwarzen Kanal besteht zumindest die Hoffnung, wie schon 2002 nach der Verdrängung durch den Bau der Verdi-Zentrale einen Ausweichplatz zu erhalten – der öffentliche Raum an der Spree wäre dennoch verloren.
Die Demonstration
Um auf die Situation des Schwarzen Kanals aufmerksam zu machen, fanden diese Woche die „Queer-&-Rebel“-Wagentage statt. Höhepunkt war eine Demonstration am Samstag vom S-Bahnhof Warschauer Straße durch Kreuzberg 36 zur Köpenicker Straße / Adalbertstraße. Den gründlichen Vorkontrollen der Berliner Polizei setzten sich nur einige Hundert Personen aus, bis zur Oranienstraße wuchs der Demonstrationszug jedoch auf knapp tausend Teilnehmer_innen an. Hinter dem geschlossenen Frontblock von rund hundert Leuten kam eine bunte und lockere Mischung mit „Queerleaders“, Samba-Gruppe, mehreren Wägen und mobilem Soundsystem.
Auch nach Beginn der Demonstration zeigte die Berliner Polizei große Präsenz und sperrte viele Kreuzungen auf der Strecke ebenso wie den Ort der Abschlusskundgebung komplett ab. In Redebeiträgen auf Zwischenkundgebungen wurde auf die Situation des Schwarzen Kanals hingewiesen und sein Schicksal in Zusammenhang mit dem neoliberalen Stadtumbau gesetzt.
Nach der Abschlusskundgebung gab es auf dem Sportplatz eines leerstehenden Schulgeländes Vokü für die Teilnehmer_innen. Das Schulgebäude soll bis Montag besetzt bleiben. Ich bin mit einer kleinen sehr internationalen Gruppe später noch spontan zum Wagenplatz Lohmühle gegangen. Dort wurde gerade ein Floß gebaut, das wir später noch gemeinsam mit Bewohner_innen und Spaziergänger_innen zu Wasser gelassen haben.
Der Mietvertrag des Wagenplatz Lohmühle läuft in zwei Jahren aus.
Neben dem Schwarzen Kanal sind in Berlin auch die alternativen Projekte Brunnen183 in der Brunnenstraße und Liebig14 in der Liebigstraße akut bedroht. Räume wie diese bieten nicht nur Menschen die Möglichkeit, ihr Leben selbst zu bestimmen, sondern sind auch wichtige Orte für antifaschistische, antirassistische und antikapitalistische politische Arbeit und wichtige Zentren für unkommerzielle Kultur.