Prozess wegen fsa09

Am nächsten Montag, dem 4. Oktober 2010, werde ich voraussichtlich als Zeuge vor Gericht aussagen müssen. Es geht dabei um ein Verfahren wegen Körperverletzung im Amt gegen einen Polizeibeamten. Ich vermute, dass es sich um den Vorfall auf der Freiheit statt Angst letztes Jahr handelt; der Angeklagte ist allerdings keiner der beiden Beamten, gegen die (ursprünglich) wegen Körperverletzung gegen den Radfahrer ermittelt wurde. Daher gehe ich davon aus, dass es sich um das Verfahren wegen Körperverletzung im Amt gegen mich handelt.

Ein kurzer Rückblick: Am Ende der Freiheit-statt-Angst-Demonstration im September 2009 wird eine Person unvermittelt aus einem Gespräch mit einer Journalistin heraus festgenommen. Die wenigen Umherstehenden versuchen, den Grund der Festnahme zu erfahren. Plötzlich wird eine andere Person (der Radfahrer) von mehreren Polizisten umkreist, niedergeschlagen und festgenommen, der Betroffene erleidet dabei schwere Verletzungen. Ich werde ebenso wie andere Beteiligte verletzt, später wird eine weitere Person festgenommen. Die gesamte Situation ist auf Video- und Fotoaufnahmen festgehalten, eine besonders gute wird noch am selben Abend veröffentlicht. Es folgt ein großes Medienecho, ein Beamter wird in den Innendienst versetzt, Aufklärung wird versprochen. Im Dezember sage ich als Zeuge beim LKA aus und erstatte Anzeige wegen Körperverletzung im Amt. Erst im Juli diesen Jahres wird das Verfahren gegen den Radfahrer wegen angeblichem Widerstand eingestellt. Der Forderung nach individueller Kennzeichnung von Polizeibeamten scheint zumindest in Berlin ein Jahr nach der Demo entsprochen zu werden.

Das Verfahren, zu dem ich als Zeuge beim LKA geladen war, richtete sich gegen zwei Polizist_innen. Für den Prozess am 4. Oktober ist ein anderer, einzelner Beamter als Angeklagter aufgeführt. Hier werden also wenige Einzelpersonen als Täter_innen identifiziert und bestraft. Die Videos zeigen jedoch, dass wie üblich keine Einzeltäter zu finden sein werden: Alle Polizist_innen haben das Vorgehen unterstützt und gedeckt, Umherstehende geschlagen, nach dem Vorfall Fragen abgeblockt und gedroht. Alle Polizist_innen werden dieses Verhalten auch im Prozess mit Gegenanschuldigungen, Falsch- und Nichtaussagen fortsetzen. Es bleibt jedoch zu hoffen, dass Gericht und Medien den auftretenden Polizeizeug_innen diesmal – anders als in anderen Fällen – kein unbedingtes Vertrauen entgegenbringen.

Das ändert jedoch nichts daran, dass die Verantwortung für solche Vorfälle nicht bei einzelnen »Prügelbullen« zu suchen ist; stattdessen gilt es, die Mechanismen in Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten, die dazu führen, dass solche Aktionen nicht verhindert und nicht bestraft werden, aufzuzeigen. Polizist_innen dürfen nicht die Sicherheit haben, dass Verfahren gegen sie in praktisch allen Fällen eingestellt werden oder mit Freispruch enden, dass vor Gericht ihre Aussage qua Beruf als höherwertig angesehen werden, dass Hinrichtungen und »bedauerliche Unfälle« selten überhaupt Konsequenzen haben, dass Kolleg_innen selbstverständlich für sie lügen. Im Hinblick auf Ereignisse wie Stuttgart 21 sollten sich auch Verfechter_innen des bürgerlichen Staates langsam die Frage stellen, mit wieviel Gewalt ein Gewaltmonopol einhergehen muss.

Gegenüber vielen anderen Fällen ist das, was mir auf der Freiheit statt Angst passiert ist, äußerst harmlos; dass es überhaupt zu diesem Verfahren kommt ist offensichtlich der breiten Aufmerksamkeit, die der Vorfall erfahren hat, geschuldet. Dennoch rechne ich damit, dass Staatsanwaltschaft und Polizei den Prozess zu einer Farce verkommen lassen werden. Falls ihr euch das mal angucken wollt, würde ich mich sehr über Prozessbeobachter_innen freuen. Die Verhandlung findet am Montag, 4. Oktober um 9:15 Uhr im Amtsgericht Tiergarten (Kirchstraße 6, 10557 Berlin, Raum 1007) statt. Ihr müsst euch vermutlich auf Einlasskontrollen einstellen, also keine waffenartigen Gegenstände, dafür aber einen Ausweis, einen Bleistift und einen Block Papier mitbringen. Oder halt ein digitales mobiles Endgerät.

15 Antworten auf „Prozess wegen fsa09“

  1. Obwohl ich mich vermutlich eher in die „bürgerliche“ Schublade einsortieren lassen müsste, kann ich mich deinen Ausführungen in dieser Sache doch weitestgehend anschließen.
    Was ich allerdings hochgradig albern – und noch dazu schlecht lesbar – finde, ist die durchgehende Feminisierung aller Personengruppen mittels Gender Gap (das Binnen-I ist auch nicht viel besser). In aller Konsequenz sollte es übrigens nicht „Prügelbullen“ heißen – sondern „Prügelbull_innen“.

    SCNR

    1. Wenn es euch gestört hat hab ich ja schon was erreicht … vielleicht. Dass es nicht um Grammatikbügelei geht, sondern Sichtbarmachung von nichtmännlichen Personen ist euch ja vermutlich klar.

  2. Wenn der Polizist wegen Körperverletzung verurteilt wird, wird dann eigentlich automatisch gegen die Zeugen wegen unterlassener Hilfeleistung ermittelt? Wenn mehrere Polizisten anwesend sind, dann ist denen ja wohl zuzumuten, einen einzelnen Schläger zu überwältigen. Und darauf, dass sie die Notlage nicht erkannt haben, können sie sich aufgrund ihrer Ausbildung wohl auch nicht berufen.

  3. Kennzeichnungspflicht für Polizisten bundesweit. Das ist doch längst überfällig. Sonst verwechsle ich die immer mit dem schwarzen Block, wenn die so vermummt anmarschieren.

    Toi toi toi dir.

  4. Daher gehe ich davon aus, dass es sich um das Verfahren wegen Körperverletzung im Amt gegen mich handelt.

    Was soll das denn bedeuten? Um was für ein Verfahren es sich handelt, ergibt sich eindeutig aus der Ladung.

    In einem Verfahren, in dem man selbst angeklagt wird, kann man kein Zeuge sein.

    1. Das „gegen mich“ gehört zur Körperverletzung, nicht zum Verfahren. Also „gegen ihn gerichtete Körperverletzung“, womit er das Opfer ist und damit Zeuge.

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